038 - Der Geistervogel
Keine Ahnung. Der Doktor behauptet doch, es sehe aus, als hätte ein großer Vogel … Blödsinn, hier gibt es keine großen Vögel.“
Das Spurensicherungsteam hatte die Arbeit abgeschlossen, einer der Beamten blieb vor dem Kommissar stehen.
„Was gibt es, Heidrich?“ fragte Friedsen. „Haben Sie etwas entdeckt?“
„Nicht viel, Chef“, sagte Heidrich. „Der Regen zerstörte alle vorhandenen Spuren. Trotzdem, irgend etwas kommt mir seltsam vor. Sehen Sie selbst.“
Das Mädchen war fortgebracht worden, doch die Fundstelle war noch deutlich zu erkennen. Der Körper hatte sich tief in den Sand gegraben.
„Sie haben recht“, sagte Friedsen. „Wenn jemand das Mädchen nur einfach so hingelegt hätte, dann würden sich kaum so deutliche Abdrücke des Körpers im Sand abzeichnen. Es sieht so aus, als hätte der Doktor mit seiner Vermutung recht. Der Körper des Mädchens hat sich wie eine Bombe in den Sand gegraben. Das würde bedeuten, daß sie aus großer Höhe abgeworfen wurde.“ Heidrich nickte. „Das ist genau meine Vermutung.“
„Das heißt dann, daß wir mit ziemlicher Sicherheit ausschalten können, daß sie vom Leuchtturm heruntergestürzt und hierher gebracht wurde. Und ein Flugzeug oder ein Hubschrauber sollteeigentlich aufgefallen sein.“ Zuerst unterhielt sich Kommissar Friedsen mit Jan Hansen und Haike Petersen, welche die Tote gefunden hatten.
Er hörte schweigend zu, zog aber überrascht die Brauen hoch, als Haike vom Traum erzählte, den Ingrun gehabt hatte.
Danach sprach er mit Ingruns Eltern und ihrer Schwester.
Gunda Thorensen sah wie fünfzig aus, obwohl sie noch nicht einmal vierzig war. Eine einfache Frau, die es noch immer nicht fassen konnte, daß ihre älteste Tochter tot war.
Gerd Thorensen war ein hünenhafter Mann, der nur mühsam die Beherrschung bewahrte. Ihre zweite Tochter war kaum fünfzehn, ein unscheinbares Mädchen, dessen Gesicht vom Weinen aufgedunsen war.
Das Innere des Hauses war einfach eingerichtet, doch alles blitzte vor Sauberkeit. Kommissar Friedsen und Weber nahmen Platz, lehnten aber den angebotenen Schnaps ab.
„Ich bedauere es aufrichtig, daß ich Sie mit Fragen belästigen muß“, begann der Kommissar.
„Fragen Sie nur“, sagte Thorensen. Er saß dem Kommissar gegenüber und hatte seine abgearbeiteten Hände auf die Tischplatte gelegt. Immer wieder ballte er die Hände zu Fäusten.
„Wann verließ Ingrun heute das Haus?“ fragte er.
„Es muß gegen fünf Uhr morgens gewesen sein“, sagte der Vater. „Alle unverheirateten Mädchen trafen sich. Sie wollten Osterwasser holen, ein alter Brauch.“
„Ich weiß“, nickte der Kommissar verständnisvoll.
„Silke ging auch mit“, sagte Thorensen. „Sie kann Ihnen mehr erzählen.“ Das Mädchen trocknete sich die Tränen ab und sah Friedsen schüchtern an. Ihr Haar war schwarz wie das ihrer Schwester. Sonst war aber nicht viel Ähnlichkeit zu bemerken. Ingrun war ein hübsches Mädchen gewesen, während Silke ein unscheinbares Mauerblümchen darstellte.
„Wir trafen uns bei Haike“, sagte Silke stockend. „Alle Mädchen. Kurz nach halb sechs Uhr gingen wir los. Da erzählte meine Schwester von einem seltsamen Traum …
Nein. sie sagte, es sei kein Traum gewesen. Es sei wirklich gewesen. Eine schwarzgekleidete Frau habe sie aufgeweckt und gesagt, daß sie nicht aus dem Haus gehen solle. Wir lachten alle darüber. Es war noch dunkel. Als wir mit dem Osterwasser zurückkehrten, war plötzlich Ingrun verschwunden. Ich dachte mir nichts dabei. Sie war in letzter Zeit immer seltsam gewesen, sie wollte viel allein bleiben. Als sie aber zum Frühstück nicht auftauchte, machten wir uns Sorgen. Vater und ich gingen sie suchen, doch wir fanden sie nicht. Vater war ziemlich zornig. Wir glaubten, daß sie zu Haike gegangen war. Ich ging hinüber, doch Haike war mit Jan spazieren gegangen. Dann kam Haike zurück und sagte uns, daß meine Schwester tot sei.“ Das Mädchen fing wieder zu weinen an.
„Hatte Ihre Tochter irgendwelche Feinde, Herr Thorensen?“
„Nein, keine. Sie war überall beliebt. Sie war ein hübsches Mädchen, alle hatten sie gern. Sie arbeitete beim Leuchtturmwärter. Sie führte ihm und seiner Frau den Haushalt.“
„Sie können sich also nicht vorstellen, wen man mit dem Tod Ihrer Tochter in Verbindung bringen könnte?“
„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte er. „Sie war ein hübsches Mädchen, vielleicht ein …“
„Sie denken an einen
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