038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
Wehr, doch die meisten flohen, da sie ja unbewaffnet waren. Die Soldaten verfolgten sie und metzelten sie nieder.
Zwanzig Soldaten umstellten den Inka-Herrscher, den Pizarro unbedingt lebend brauchte. Noch während des Gemetzels wurde Atahualpa abgeführt und in eines der Häuser gesperrt.
Das war der Bericht, den uns der Mann gab, der alles mit eigenen Augen gesehen hatte. Wir hörten ihm stundenlang zu, als er von den unglaublichen Schätzen berichtete, die sie erbeutet hatten.
Die Stimmung an Bord war prächtig, doch ich dachte anders. Ich hatte die Berichte Cortez' gelesen, der das stolze Volk der Azteken besiegt hatte. Und dem Volk des Inka-Herrschers würde es nicht anders ergehen, das ahnte ich.
Ich befand mich nun schon seit drei Tagen in Gajamarca und hatte mich an den eintönigen Tagesablauf gewöhnt. Zusammen mit einigen anderen Soldaten bewohnte ich ein Haus ganz in der Nähe von dem, in dem Atahualpa gefangengehalten wurde. Unsere Aufgabe war sehr einfach: Wir mußten den Inka-Herrscher und das Dorf bewachen.
Zu meiner Überraschung wurde Atahualpa gut behandelt. Er durfte seine Vasallen empfangen, die ihm Geschenke und Frauen brachten. Auch in der Gefangenschaft bewahrte der König seinen Stolz. Atahualpa sprach mit großer Würde. Er war etwa dreißig Jahre alt und sah recht gut aus. Seine Gestalt war stämmig, das breitflächige Gesicht mit den blutunterlaufenen Augen wirkte edel.
Er saß auf einem roten Schemel aus Edelholz, umgeben von indianischen Edelfrauen, die ihn bedienten. Sie reichten ihm Schüsseln und Krüge aus feinstem Keramik. Der Inka-Herrscher wechselte täglich ein halbes Dutzend mal seine Kleider, die danach augenblicklich verbrannt wurden.
Ich hatte Francisco Pizarro und seine Brüder kennengelernt. Francisco war mir nicht sonderlich sympathisch, er war herrisch und hochnäsig, von seinen Brüdern gefiel mir eigentlich nur Hernando. Auch mit Hernando de Soto konnte ich mich nicht anfreunden. Seine barsche, herrische Art stieß mich ab. Diego de Almagro, Pizarros langjähriger Gefährte, war da aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Er war klein und häßlich, aber immer fröhlich.
Atahualpa hatte in seiner Verzweiflung Pizarro einen fast unglaublichen Vorschlag gemacht. Er wollte den Fußboden eines Raumes, der etwa vierunddreißig Quadratmeter groß war, mit Gold bedecken lassen. Pizarro antwortete vor Überraschung nicht. Daraufhin erhöhte der Inka-König sein Lösegeld sofort. Der Raum sollte bis obenhin mit Gold und Silber angefüllt werden. Pizarro zog in zwei Meter Höhe eine rote Linie.
Aus allen Teilen des Landes trafen nun goldene Geräte und Figuren ein. Innerhalb weniger Wochen war der Raum bis zur Hälfte mit unglaublichen Reichtümern angefüllt, und es wurden immer mehr. In wenigen Tagen mußte der Raum bis zur vorbestimmten Höhe mit Gold gefüllt sein, dann hätte Pizarro eigentlich sein Versprechen einhalten und den Inka-Herrscher freilassen müssen.
Doch aus den Gesprächen mit den anderen Soldaten wußte ich, daß Pizarro zögerte. Er vermutete, daß Atahualpa, sobald er freigelassen wurde, sein Reich einigen konnte; und dann wäre es ihm ein leichtes gewesen, die Spanier zu vernichten.
Ich sonderte mich immer mehr von den Soldaten ab. Sie waren für meinen Geschmack zu primitiv und grausam. Sie dachten nur an das Gold, die Indianer waren ihnen völlig gleichgültig.
Ich unterhielt mich in meiner Freizeit eingehend mit den indianischen Dolmetschern und lernte einige Brocken Quechua, die Sprache der Inkas.
Pizarro sandte laufend Späher aus, und die Gerüchte verdichteten sich, daß die Armee der Inkas sich im Süden sammelte. Die Nervosität wuchs von Tag zu Tag, und einige der Soldaten bedrängten Pizarro, den Inka-Herrscher zu töten.
Wochen vergingen. Meine Kenntnisse der Inka-Sprache hatten sich so gefestigt, daß ich einfache Unterhaltungen führen konnte. Zu Essen hatten wir genug. Es gab Wild, dazu Kartoffeln und Bohnen. Ich vertiefte mich weiter in die Sprache und interessierte mich für die Sitten und Gebräuche der Inkas.
Die Soldaten wurden immer gereizter. Das Nichtstun bekam ihnen gar nicht.
Dann lernte ich ein Inka-Mädchen kennen, das mir anfangs seinen Namen verschwieg. Aus ihrer Kleidung und der Art, wie sie sich bewegte, schloß ich, daß sie aus einer der besseren Familien stammen mußte. Sie war jung, klein und hatte eine zierliche Figur. Das Gesicht war schmal, mit einer etwas zu lang geratenen Nase, die Augen funkelten wild
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