038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
und waren schwarz wie die Nacht. Ich wurde von ihr seltsam angezogen, doch auf meine Annäherungsversuche reagierte sie eisig. Ich unterhielt mich oft mit ihr und anderen Inkas. Auf meine Fragen bekam ich aber nur ausweichende Antworten.
Die Stimmung unter Pizarros Männern verschlechterte sich immer mehr. Das Eisen ging dem Ende zu. Die Hufe der Pferde mußten mit silbernen Hufen beschlagen werden. Immer lauter wurde der Ruf, den Inka-Herrscher endlich zu töten und weiterzuziehen.
Dieser Vorschlag stieß auf den erbitterten Widerstand Hernando de Sotos und Pizarros Bruder Hernando. Ich schaltete mich in die Auseinandersetzung ein und ergriff de Sotos Partei. Pizarro wartete noch.
Ich wurde mißtrauisch, als er de Soto und seinen Bruder Hernando zusammen mit vier Soldaten fortschickte, um das Gerücht zu überprüfen, daß sich in einiger Entfernung indianische Truppen sammelten. Ich hatte gerade Wache und sah den sechs Männern nach, die langsam aus der Stadt ritten. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Die Reiter verschwanden in der Ferne, und ich machte meine Runde. Als die junge Inka-Frau auf mich zukam, blieb ich stehen. Sie hatte mir vor einigen Tagen ihren Namen verraten. Sie hieß Machu Picchu. Zwei Schritte vor mir blieb sie ebenfalls stehen und hob langsam ihren Kopf.
»Wann laßt ihr endlich den Inka frei?« fragte sie mit ihrer sanften Stimme.
Ich preßte die Lippen zusammen und schwieg. Die Sonne stand hoch und mir war in meiner Rüstung unerträglich heiß. Schweiß rann über meine Stirn.
»Antworte!« Ihre Stimme wurde schrill.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich tonlos.
»Ihr wollt ihn töten«, sagte sie. »Ich weiß es. Einer unserer Priester las es gestern aus den Eingeweiden eines Lamas. Morgen wird Atahualpa sterben.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich leise.
»Hör mir zu«, sagte sie. »Er darf nicht sterben. Mit seinem Tod würden dämonische Kräfte freiwerden. Ein Fluch wird euch alle vernichten. Er darf nicht sterben!«
»Ich bin nur ein einfacher Soldat«, sagte ich. »Ich kann nichts dagegen unternehmen, Machu Picchu. Du mußt dich an Pizarro wenden.«
»Das habe ich versucht«, sagte das hübsche Mädchen, »doch er hörte mir nicht zu.«
»Ich kann dir nicht helfen«, sagte ich. »Ich würde dir und deinem Volk gern …«
Ihr Blick brachte mich zum Schweigen. Sie wandte sich ab und verschwand zwischen den Häusern. Ich sah ihr lange nach, dann setzte ich meine Runde fort.
Zwei Stunden später wurde ich abgelöst und lief zum Hauptplatz, der verlassen in der Nachmittagssonne lag. Nur vor dem Haus, in dem der Inka gefangengehalten wurde, standen zwei Posten. Sie hielten mich nicht auf, als ich eintrat.
Ich war gerade rechtzeitig gekommen, um die Kriegsgerichtsverhandlung mitzuerleben.
Das Gericht bestand aus Francisco Pizarro und seinen Brüdern Juan und Gonzales und seinem Halbbruder Martin de Alcantara. Sie saßen an einem langgestreckten Tisch, und ihnen gegenüber saß der Inka-König mit unbewegtem Gesicht auf seinem Schemel. Im Hintergrund standen mehr als fünfzig Soldaten, zu denen ich mich gesellte.
Francisco Pizarro stand auf und verlas die Anklageschrift. Einer der indianischen Dolmetscher übersetzte sie.
»Ich klage Euch der Verschwörung gegen den spanischen König an«, begann Pizarro. »Weiter der Vielweiberei, des Inzests, des Brudermordes und des Götzendienstes.«
Im Gesicht des Inka regte sich kein Muskel.
Die Kriegsgerichtsverhandlung war eine Farce. Ich hörte zu, und Wut stieg in mir hoch. Als ich mich einschalten wollte, wurde mir von Pizarro barsch das Wort entzogen.
Der Inka-Herrscher verteidigte sich nicht, was hätte er auch vorbringen können? Die Anklagen mußten ihm völlig unverständlich sein, da er ja nur nach den alten Gesetzen seines Volkes gelebt hatte und seine Taten nur in den Augen der Christen Sünde waren.
Das Urteil wurde nach wenigen Minuten gefällt. Atahualpa wurde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Das Urteil sollte morgen vollstreckt werden.
Ich stürzte auf Pizarro zu und berichtete ihm von meinem Gespräch mit Machu Picchu. Pizarro hörte mir einige Zeit ungeduldig zu, dann wandte er sich ab und ließ mich einfach stehen.
Die Stimmung hatte sich unter den Soldaten entschieden gebessert. Alle waren froh, daß der Inka-König endlich sterben sollte.
Ich tat die ganze Nacht kein Auge zu. Am Vormittag wurde der Scheiterhaufen errichtet. Ich sah grimmig zu, wie zwanzig Soldaten die Holzscheite aufstapelten,
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