038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
Stadt, die zwischen sanften grünen Hügeln lag. Die Stadt war verlassen. Pizarro mahnte zur äußersten Vorsicht. Auf dem riesigen Platz in der Stadtmitte stiegen die Reiter von ihren Pferden. Der Platz war nur von zwei Seiten zugänglich, und das verstärkte ihre Unruhe. Weit in der Ferne erblickten sie ein gewaltiges Indianer-Zeltlager, das aus den typischen Rundzelten der Inkas bestand.
Sie warteten etwa eine halbe Stunde. Nichts geschah. Pizarro beauftragte Hernando de Soto und seinen Bruder Hernando, mit zwanzig Reitern zum Zeltlager zu reiten.
Ungehindert kamen sie näher. Die Indianer wichen vor ihnen zurück und griffen sie nicht an. Endlich fanden sie den Inka-Herrscher. Er saß auf einem kleinen Schemel vor einem Badehaus, umgeben von Edelleuten und vielen Beamten.
Den Fingerring, den ihm de Soto als Geschenk überreichte, beachtete der Sohn der Sonne nicht. Dem Dolmetscher de Sotos, der ein Küstenindianer war, antwortete der prächtig gekleidete Herrscher nicht. Der Dolmetscher rühmte die Unbesiegbarkeit der Spanier und bot ihre Freundschaft an. Daraufhin lachte der Inka, und seine Frauen brachten schwere Goldbecher mit schäumender Chicha. Die Spanier tranken, und der Inka versprach, am kommenden Tag in die Stadt einzuziehen.
Sie kehrten zu Pizarro in die Stadt zurück. De Soto war sehr enttäuscht, daß die Inkas, ganz zum Unterschied von den Azteken, keine abergläubische Furcht vor ihnen hatten. Er schätzte, daß mehr als dreißigtausend Krieger auf den Hügeln lagerten.
In dieser Nacht schlief kaum einer der Spanier. Alle waren unruhig, viele hatten große Angst. Endlich dämmerte der neue Tag herauf. Doch die Spanier mußten noch einige bange Stunden warten, denn Atahualpa ließ sich mit seinem Einmarsch in die Stadt Zeit.
Pizarro hatte mit seinen Brüdern und de Soto einige Pläne gewälzt, konnte sich aber für keinen entscheiden. Er wollte abwarten, wie sich der Inka-Herrscher verhalten würde.
Die Spannung unter den Spaniern wurde fast unerträglich. Ihre Nervosität erreichte den Höhepunkt, als sich eine Staubwolke der Stadt näherte. Langsam waren Einzelheiten zu erkennen. Der Zug näherte sich der Stadt. Indios liefen eifrig hin und her und säuberten den Weg. Dahinter war die goldene Sänfte zu sehen, in der der Inka-Herrscher saß, wie eine Statue unter dem Baldachin aus Papageienfedern. Ein Bote des Herrschers kam näher. Er berichtete Pizarro, daß der Monarch der Einladung des Spaniers gefolgt sei. Er und seine Männer kämen als Gäste und trügen keinerlei Waffen. Und darauf baute Pizarro seinen verwegenen Plan.
Er hielt eine kurze Lagebesprechung mit seinen Soldaten ab. Der Plan fußte auf Cortez' Erfahrungen bei der Gefangennahme Montezumas. Innerhalb weniger Augenblicke war alles für den Empfang des Inka-Herrschers vorbereitet. Die Männer nahmen ihre Positionen ein und warteten.
Die Prozession kam näher. Endlich hielt die Sänfte auf dem Hauptplatz, der menschenleer war. In einigem Abstand blieben die Sänften der Edelleute stehen.
»Wo sind die Bärtigen?« fragte der Inka und blickte sich um.
Laut Plan sollte der Feldgeistliche Valverde als erster den Herrscher begrüßen. Er trat aus einem Haus. In den Händen hielt er ein Kruzifix und eine Bibel. Nur der Dolmetscher begleitete ihn. Vor dem Monarchen blieb der Geistliche stehen und begann sofort mit einer langen Predigt, von der Atahualpa nicht viel mitbekommen haben dürfte. Valverde verlangte von dem Inka-König, daß er zur katholischen Kirche übertreten und dem spanischen König den Lehenseid schwören sollte.
Valverde griff nach dem Arm des Königs, der seine Hand zur Seite schlug, ihm die Bibel entriß und zu Boden schleuderte. Mit stolzer Geste zeigte der Herrscher zur Sonne.
»Noch lebt mein Gott«, sagte er.
Der Geistliche drehte sich laut schreiend um, und in diesem Augenblick gab Pizarro das Zeichen zum Angriff.
In das Krachen der Feldkanonen mischte sich das Gellen der spanischen Hörner.
Und das schaurige Gemetzel begann. Die Spanier ritten aus ihren Verstecken. Voran Francisco Pizarro. Er ritt wie ein Wahnsinniger auf den erstarrt dasitzenden König zu und entriß ihm die Binde aus purpurgefärbter Vicsunawolle – das Emblem seines Gottkaisertums. Die Leibwachen, die über diesen unglaublichen Frevel fassungslos waren, wurden von den Soldaten gnadenlos niedergeschlagen.
Innerhalb weniger Minuten war der Hauptplatz mit Leichen übersät. Die Indianer setzten sich teilweise verzweifelt zur
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