0380 - Ich und der Poltergeist
die Höhe hob. Es lagen keine Tücher oder alte Kleidungsstücke in der Truhe, sondern zahlreiche Souvenirs, die Mr. Goldwyn von seinen Reisen mitgebracht hatte.
Wertvolle Kleinkunstgegenstände aus Asien und Afrika. Kleine Masken, Figuren, und ich ahnte jetzt schon, weshalb mich Lady Sarah an diese Truhe geschickt hatte.
Ich räumte noch einige Gegenstände zur Seite und wurde plötzlich fündig. Die Figur sah auf den ersten Blick aus wie ein Buddha, war aber das genaue Abbild des Poltergeistes.
Das konnte ich trotz der Dunkelheit in der Truhe erkennen, wollte es aber ganz genau wissen, holte die Figur hervor und brachte sie ans Licht.
Es war der Poltergeist!
Die gleiche Sitzhaltung, das gleiche Gesicht, die dicken, aufgebläht wirkenden Schenkel und Arme. Jedes Detail stimmte da und auch die Farbe.
Dieses giftige Grün, das mich irgendwie anwiderte und überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem etwas wärmeren, dunklen Aibon-Grün aufwies. Ich drehte die Figur in der Hand, während ich wieder zu Sarah Goldwyn zurückkehrte, mich zu ihr an den Tisch setzte, die kleine Figur auf die Platte stellte und das Nicken der Horror-Oma sah.
»Ich habe es gewußt!«
Jetzt brauchte ich einen zweiten Schluck. Langsam setzte ich das Glas wieder ab. »Und du bist dir sicher, daß dieser Poltergeist nur wegen seines Ebenbildes erschienen ist?«
»Völlig!«
»Was aber ist der Grund?«
Sarah Goldwyn nippte an ihrem Glas, hob die Schultern und sagte: »Das weiß ich nicht.«
Ich konnte auch keine Antwort geben, kam aber auf die Vergangenheit zu sprechen und auf den Mann der Horror-Oma. »Er hat die Figur mitgebracht. Für dich als Geschenk.«
»Ja.«
»Hat er vielleicht etwas dazu gesagt, als er sie dir gab? Hat er über die Geschichte der Figur gesprochen. Vielleicht über ihre Herkunft oder auch Magie?«
»Nein, wenigstens kann ich mich nicht erinnern.«
Das war natürlich schlecht.
Noch einmal betrachtete ich die Figur von allen Seiten, um nach Unterschieden zu suchen, aber das war nicht möglich. Ich entdeckte kleine Differenzen zwischen dem echten Poltergeist und dieser kunstvoll hergestellten Nachbildung.
»Es wird schwer sein, da etwas aufzuklären«, sagte Sarah Goldwyn.
»Das meine ich auch. Wir müßten in der Vergangenheit suchen oder bei deinem verstorbenen Mann.«
»John, er ist tot.«
»Und woher hat er die Figur genau?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Er brachte sie mir von einer Asien-Reise mit. Er kann sie auch in Hongkong gekauft haben wie damals in Saigon, Tokio oder Manila. Das hat er mir nie so genau gesagt. Er brachte mir nur etwas mit, und dies freute mich stets über alle Ma ßen, wenn du verstehst.«
»Natürlich.«
Ich hatte zwar eine Spur oder einen Anhaltspunkt gefunden, die Probleme waren deswegen nicht weniger geworden. Irgendwie bekam ich sie nicht richtig in die Reihe.
»Es gibt auch nichts Schriftliches über die Figur«, erklärte Lady Sarah. »Ich weiß nur, daß sie aus dem asiatischen Raum stammt. China, Japan oder so…«
»China«, murmelte ich.
»Möglich.«
Ich schnippte mit den Fingern. »Nein, ich meine etwas ganz anderes. Suko ist Chinese.«
Die Augen der Horror-Oma blitzten auf. »Klar, das ist die Lösung! Suko wird etwas wissen.«
Durch das Heben meines rechten Armes dämpfte ich ihren Optimismus. »Nicht so wild. Es ist bisher nur eine Vermutung. Noch wissen wir nichts Genaues. Ich rufe ihn an.«
Glücklicherweise besaß die Horror-Oma auch unter dem Dach einen Anschluß, so brauchte ich nicht erst nach unten zu tigern, und der Apparat hatte die Auseinandersetzung, ohne Schaden zu nehmen, überstanden.
Ich schaute auf die Uhr. Es war noch eine christliche Zeit. Kurz vor 22 Uhr. Da würden Suko und Shao noch nicht in den Federn liegen.
Die Chinesin nahm ab. »Du, John? Ich dachte, du wärst bei Sarah Goldwyn.«
»Von ihr rufe ich auch an.«
»Willst du Suko haben?« Shao hatte wohl am Klang meiner Stimme erkannt, daß mir der Sinn nicht nach Plaudern stand.
»Ja, gib ihn mir.«
»Er steht unter der Dusche, sorry.«
Ich verdrehte die Augen und grinste gleichzeitig. Endlich hatte es auch mal Suko erwischt. Ansonsten war ich ständig der Gelackmeierte, der unter den Strahlen weggeholt wurde.
»Das ist sein Pech, ich brauche ihn trotzdem.«
»Jetzt am Telefon oder…«
»Nein, sag ihm bitte, er möchte zu Sarah Goldwyn kommen.«
»Wird es gefährlich?« fragte Shao nach.
»Ich hoffe nicht. Die direkte Konfrontation habe ich bereits hinter mir. Es kann
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