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0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

Titel: 0381 - Die schwebenden Leichen von Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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noch ein alter schwarzer Apparat, der mit seinem schrillen Geräusch an meinen Nerven zerrte. Bei dieser Lautstärke konnte man fast annehmen, das der Hörer von der Gabel springen wollte.
    An einen Irrtum wollte ich nicht glauben, deshalb ging ich hin und hob nach dem dritten Klingeln ab.
    Mit einem fragenden »Ja« meldete ich mich.
    »Sinclair?«
    Es war eine mir unbekannte Stimme, die meinen Namen da fragend ausgesprochen hatte. Erwartet hatte ich Wladimir Golenkow.
    »Ja, Sinclair am Apparat.«
    »Sinclair in Prag!« flüsterte er. »Das habe ich mir immer gewünscht, weißt du das?«
    »Jetzt ist dein Wunsch ja in Erfüllung gegangen. Sag mir, was du willst, dann sehen wir weiter.« Ich hatte mich nicht allein auf seine Worte konzentriert, auch auf die Aussprache. Sein Englisch klang sehr hart, wie bei den meisten Osteuropäern.
    »Du bist in deinem Zimmer und kannst nicht heraus. Ich habe dir die Leichen geschickt.«
    »Das weiß ich.«
    »Wie fühlt man sich denn als Gefangener?«
    »Überhaupt nicht«, erwiderte ich. »Weil ich kein Gefangener bin. Aber ich möchte gern wissen, mit wem ich das zweifelhafte Vergnügen habe, ein Gespräch zu führen.«
    Er lachte. »Was sind schon Namen? Wichtig ist doch nur einer. Der Name meines Herrschers, unser aller König…«
    Ich hatte verstanden. »Meinst du Luzifer?«
    »Richtig, Sinclair. Er steht hinter den Dingen.«
    »Du brauchst deinen Namen nicht zu nennen. Ich kenne ihn auch so.«
    »Dann sag ihn!«
    »Petar Kopanek!«
    Für einen Moment schwieg er. Für mich war es ein Schweigen der Überraschung. Ich war Gönner und ließ ihm Zeit, sich zu fangen.
    »So, du hast schon von mir gehört?« Er fragte raffiniert. Wie jemand, der unbedingt noch etwas wissen will.
    »Ja.« Ich ließ ihn zappeln.
    »Hat sich mein Ruhm bis nach England durchgesprochen?«
    Da schickte ich ihm ein Lachen durch die Leitung. »Das glaube ich kaum, Kopanek. So berühmt bist du nicht, auch wenn du auf die Kräfte der Hölle schwörst. Ich gebe zu, daß du in Prag bekannt und einigen Leuten aufgefallen bist…«
    »Wem?« unterbrach er mich.
    »Oh, das ist doch uninteressant. Ich hatte dir nur sagen wollen, daß du mich nicht überraschen konntest. Außerdem kennst du mich. Du wirst von mir gehört haben, und ich kann dir sagen, vielleicht weißt du es auch, daß ich mich von deinen Dienern nicht fürchte. Überhaupt habe ich vor der Hölle keine Angst. Wer sich mit ihr anlegt, darf sie nicht fürchten.«
    Jetzt lachte er. »Große Worte, Engländer. Sehr große, sogar. Aber irre dich nicht. Du bewegst dich hier auf einem Boden, der durch Magie gezeichnet worden ist.«
    »Ja, das auslaufende Mittelalter hat zahlreiche Auswüchse mit sich gebracht.«
    »Nennst du den Golem einen Auswuchs?« höhnte er.
    »Er ist eine Gestalt aus Ton. Ein Irrtum der Natur, eine Überschätzung des gewissen Teils einer menschlichen Kaste. Auswüchse der Kabbalah meinetwegen, aber kein…«
    »Geschwätz«, entgegnete er und fuhr mir dabei in die Parade.
    »Nur leeres Geschwätz. Ich werde dir beweisen, daß das Erbe des Rabbi Loew existiert. Ich habe es gefunden. Ich besitze den Stein der Weisen, den Schlüssel zum künstlichen Leben…«
    »Aber die Leichen sind – so paradox es sich anhört – tot.«
    »Ja.«
    »Wozu brauchst du sie dann?«
    »Um dir zu zeigen, welche Kräfte ich besitze. Ich habe sie als Pfadfinder geholt. Sie sind bereit, mir den Weg zum endgültigen Schlüssel zu zeigen. Du hast keine Chance. Denk an die Macht, die allein hinter mir steht, und die alles bisher überlebt hat…«
    Damit war sein Gespräch beendet. Er legte auf, und auch ich ließ den Hörer auf die Gabel fallen.
    Sekundenlang starrte ich auf den Apparat. Was man mir da mitgeteilt hatte, war harter Tobak, obwohl es bei diesem relativ locker geführten Nachfolger des Rabbi Loew bezeichnete, führte Böses im Schilde. Nicht allein das, er wollte, wie der Dr. Faustus in Goethes Drama, den Herrgott herausfordern.
    Das ging nicht gut, das konnte nicht gutgehen, aber er konnte durch seine Taten etwas zerstören, und andere Menschen mit in den Untergang reißen. Als ich darüber nachdachte, wurde mir mulmig zumute. Ich dachte an Wladimir Golenkow. Ob er überhaupt ahnte, was sich da zusammenbraute?
    Mein Blick glitt nach links. Dort lag das Kreuz auf dem Toten. Das L leuchtete in einem blutigen Rot. Liliths Zeichen war einfach nicht auszuradieren.
    Sie hatte einmal dadurch zu mir gesprochen. Würde sich das wiederholen?

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