0381 - Die schwebenden Leichen von Prag
ungefähr die Mitte der Liegestatt erreicht hatte.
Bisher gehorchte dieser ferngesteuerte Tote nicht mir, sondern einem anderen und fremden Gesetz. Diesen Bann wollte ich unter allen Umständen brechen, nahm dabei mein Kreuz und legte es auf die Körpermitte der schwebenden Leiche.
Dort blieb es liegen.
Ich hatte den Toten losgelassen, weil ich sehen wollte, wie der Talisman reagierte. Aktivieren wollte ich ihn noch nicht, aus Angst, daß ich alles zerstören konnte. Auch ohne Aktivierung besaß das Kreuz eine große weißmagische Kraft, die auch die schwebende Leiche zu spüren bekam, denn plötzlich fiel sie aufs Bett.
Der Tote landete auf den Kissen, drückte sie ein und blieb liegen, während ein Zucken durch seinen Körper rann.
Ich atmete auf.
Dieser kleine, aber entscheidende Vorgang bewies mir, daß es mir gelungen war, den Flug der Leiche zu stoppen. Mein Kreuz war stärker als die Kraft, die hinter dem Toten stand.
Es war nicht vom Körper gerutscht. So wie ich es auf den Toten gelegt hatte, blieb es auch liegen. Ein schwaches Leuchten lag über den Insignien der Erzengel an den Enden des Kreuzes. Sie hatten einen Bann oder eine Sperre aufgebaut, gegen die auch der Tote nicht ankam.
Ich hatte vor, den Toten genauer zu untersuchen. Vielleicht konnte ich durch eine Aktivierung des Kreuzes noch mehr erreichen, als etwas geschah, das mich fast von den Beinen riß.
In der Kreuzmitte und genau dort, wo vor einiger Zeit die noch unenträtselten Zeichen verschwunden waren, glühte etwas auf.
Es war ein Buchstabe, der Ähnlichkeit mit einem rechten Winkel aufwies.
Ein L!
Und ich wußte auch, was dieser Buchstabe bedeutete. Das L stand für Lilith, der ersten Hure des Himmels und jetzigen Partnerin des Höllenherrschers Luzifer…
***
Auf einmal wurde mein Hals trocken. Ich spürte das Kribbeln und den kalten Schauer auf meinem Rücken. Automatisch hob ich meinen Arm und fuhr mir durch die Haare. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit, daß dieses L plötzlich erscheinen würde.
Wie damals, als ich mit meinem Freund Suko den Neubau durchstöbert hatte und wir auf die Frau im Feuer gestoßen waren, um anschließend die Bekanntschaft Liliths zu machen. Ihr war es tatsächlich gelungen, mein Kreuz zu manipulieren, indem sie ihm ihren Stempel aufgedrückt hatte.
Eine furchtbare Sache.
Ich hatte damals das Kreuz eigentlich wegwerfen wollen. Suko hatte mich zum Glück daran gehindert, und es war auch nichts weiter passiert, bis auf die Tatsache, daß die von mir noch nicht enträtselten Zeichen in der Mitte verschwunden waren.
In den weiteren Fällen hatte ich das Kreuz einsetzen können, ohne irgendwelche Belastungen oder Störungen. Es reagierte nach wie vor, erst jetzt entdeckte ich wieder dieses L, dessen Auftauchen mir bewies, wie sehr noch eine andere gefährliche Kraft darüber wachte, daß vieles in ihrem Sinne geschah.
Meine Stimme versagte. Auch wenn ich es gewollt hätte, es wäre mir nicht gelungen, auch nur ein Wort hervorzubringen. Zu sehr hielt mich die Überraschung fest.
Lilith!
Was hatte sie, die auch die Große Mutter genannt wurde, mit diesem Fall zu tun. War sie vielleicht die Initiatorin der schwebenden Leichen? Hatte ich mich bisher auf die falschen Dinge konzentriert, wobei ich in Wirklichkeit nur gegen sie kämpfen mußte.
Es waren wirre Gedanken, die meinen Kopf durchschossen, und die ich zunächst einmal ordnen mußte. Für mich zählte der schwebende, jetzt liegende Tote.
Er war der springende Punkt. Wenn ich ihn überwunden hatte, konnte ich auch an die Große Mutter herankommen, wie Lilith ja genannt wurde. Die Leiche mußte allein unter ihrer Kontrolle stehen.
Sie gehorchte ihren Gesetzen, die Große Mutter sorgte dafür, daß sie mir auf den Fersen blieb. Und wenn ich an sie dachte, fiel mir auch gleich der Teufel ein.
Er und die Große Mutter hatten einen Pakt geschlossen. Gewollt war er von dem obersten aller Höllenfürsten, von der Person oder dem Geist, der das absolut Böse seit Beginn der Zeiten in sich manifestierte.
Dafür gab es einen Namen.
LUZIFER Ein Held für die Dämonen, für Menschen auch, die die Zerstörung der Welt wollten, den Untergang des Abendlandes, das absolute Chaos.
Schon immer hatte es diese Person gegeben, die Geschichte war voll davon, und gerade in Prag, der Goldenen Stadt an der Moldau, hatte jemand gelebt, der sich auch dem Teufel sehr verbunden fühlte, da er künstliches Leben erschaffen wollte. Ich dachte wieder an den
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