0393 - Der Vampir von London
deshalb schließlich gestorben…
Aber das gehörte nicht hierher. Der Mann, der zwischen zwei Welten gelebt hatte und nirgends richtig zu Hause war, war lange tot. Jetzt zählten die Lebenden.
»Ja«, sagte sie. »Ich habe herumgefragt. Haben Sie was?«
»Ich habe«, sagte Graham. »Kommen Sie zu mir, oder soll ich mit der Frau zu Ihnen kommen?«
»Eine Frau…?« echote Babs und dachte an Gryfs Vermutungen. Eine Frau, ein Mann. »Natürlich komme ich. Wo sind Sie?«
»Erster Stock, vierundzwanzig«, sagte Graham.
Babs legte auf. Sie wußte, daß sie selbst nichts unternehmen konnte, falls an der Sache etwas dran war. Das konnte höchstens Galen. Oder Gryf . Aber erst wollte sie sich selbst ein Bild von der Sache machen, ehe sie den Druiden zu erreichen versuchte, von dem sie nicht einmal wußte, wo er momentan steckte. Er konnte sich irgendwo in London herumtreiben, er konnte aber auch in Beaminster-Cottage sein, trotz der Anweisung, die Stadt nicht zu verlassen. Wer sollte ihn schließlich halten, wenn er es nicht wollte? Sie wunderte sich schon, daß er die ganze Nacht treu und brav in der Zelle zugebracht hatte. Das hatte sie ihm eigentlich nicht zugetraut.
Sie verließ das Büro und hängte das Schild »Bin gleich wieder da« an die Tür. Galen war nicht im Haus, sie brauchte sich also nicht erst bei ihm abzumelden. Ein paar Minuten später betrat sie Zimmer 1/24.
Sie kannte Graham bisher noch nicht. Er saß hinter seinem Schreibtisch, flankiert von einem Bobby in Uniform. Ein weiterer ziviler Yard-Beamter saß auf der Schreibtischkante. Auf zwei Sühlen hockten ein Mann und eine Frau.
»Hallo«, sagte sie.
»Ah, Miß Crawford«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch. »Ich bin Graham. Ich darf Ihnen Terence und Sheila Brody vorstellen, ja? Diese Dame hier hat versucht, Vampirin zu spielen, oder so etwas. Wahrscheinlich zu viele Gruselfilme gesehen.«
Babs sah Sheila Brody an. Die junge Frau sah eigentlich ganz normal aus. Wenn sie eine Vampirin gewesen wäre, hätte sie wenigstens Blässe zeigen müssen. Aber sie besaß eine einigermaßen gesunde Sonnenbräune. Babs gestand ihr immerhin schon zu, daß sie als Vampirin nicht unbedingt bei Tagesanbruch den Sargdeckel über sich zuklappen mußte, um vor dem Sonnenlicht geschützt zu sein. So viel hatte sie von Kerr und den anderen gelernt.
Aber diese Sheila Brody eine Vampirin…? Unwillkürlich schüttelte Babs den Kopf. Sie wußte, wie Vampire aussahen.
»Was ist denn passiert?« fragte sie.
»Missis Brody fiel ohne ersichtlichen Grund über eine andere Frau her und versuchte ihr die Kehle durchzubeißen. Gott sei Dank ist dem armen Opfer nicht viel passiert. Aber Verletzungen hat sie dennoch davongetragen, ist jetzt in ärztlicher Behandlung. Sie hat natürlich Strafanzeige erstattet. Ich dachte, weil Sie diese Rundfrage gestartet haben…«
Babs nickte. »Ja«, sagte sie. »Vielen Dank, Sir. Es war nett von ihnen, daß Sie daran gedacht haben.«
Hatte Gryf nicht von einem Pärchen gesprochen? Von einem Mann und einer Frau? Sollten dies die Gesuchten sein? Sie bedauerte, daß Gryf nicht hier war. Er hätte es sofort feststellen können. Trotzdem… so ganz konnte Babs nicht daran glauben, daß sie hier fündig geworden war.
Sie konnte nicht einmal dafür sorgen, daß die beiden so lange festgehalten wurden, bis Gryf sich um sie kümmerte. Babs war nur die Sekretärin eines Inspektors der Mordkommission. Allenfalls Galen könnte etwas veranlassen, wenn sie ihn überreden konnte, aber…
Ein Gedanke zuckte ihr durch den Kopf.
»Meine Anfrage kam nicht von ungefähr«, sagte sie. »Inspektor Galen hat da einen Fall am Hals, der sich gestern spät abends zugetragen hat; der Kollege von der Nachtschicht hat die Sache an Galen weitergegeben. Es besteht Grund zu der Annahme, daß Ihr Fall mit hineinspielen könnte, Mister Graham.«
Die beiden Brody, die bisher geschwiegen hatten, sahen sich an. Dann hob Terence Brody die Hand. »Was zum Teufel soll das heißen? Mordkommission? Fall? Keiner von uns beiden hat jemanden umgebracht! Das ist eine Verleumdung, für die ich Sie…«
»Beruhigen Sie sich, Sir«, bat Babs. »Ich habe nicht gesagt, daß Sie oder Ihre Frau als Täter in Frage kommen. Aber es besteht wirklich Grund zu der Annahme, daß es eine Verbindung zwischen Ihnen und dem gestrigen Mordfall gibt.« Sie wandte sich wieder Graham zu. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, auf Galens Rückkehr zu warten?«
»Mir nicht«, sagte Graham.
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