0393 - Der Vampir von London
eine Idee. Hast du eigentlich deinen Sonderausweis noch? Oder ist der damals beim Brand im Château Montagne zu Asche geworden?«
Zamorra stutzte. »Worauf willst du hinaus?«
»Wenn du den Ausweis noch hast, solltest du ihn vielleicht wieder einmal benutzen. Du könntest damit Gryf helfen, ganz gleich, wie.«
»Meinst du, ich sollte ihn aus dieser Mordsache herausboxen?«
»Ich meine gar nichts, Chérie«, erwiderte Nicole. »Ich meine nur, daß du auch dir selbst die Arbeit erleichtern könntest. Privilegien sind dazu da, für gute Zwecke ausgenutzt zu werden.«
»Hm«, machte Zamorra.
Nicole spielte auf einen Sonderausweis an, den Zamorra vor Jahren erhalten hatte, als er die Shark-Bruderschaft zerschlug. Der Ausweise war nie zurückgefordert worden und hatte immer noch Gültigkeit. »Ich brauche ihnen nicht zu sagen, daß mit der Benutzung dieses Ausweises eine große Verantwortung verbunden ist«, hatte der Beamte kommentiert, der Zamorra den Sonderausweis übergab und sich den Empfang quittieren ließ. »Sie dürfen zum Beispiel Wohnungen betreten, wenn Ihnen das notwendig erscheint. Beschwerden darüber werden automatisch an das Verteidigungsministerium weitergeleitet, das im Einvernehmen mit dem Justizminister die nötigen Entschuldigungen formuliert. Der Sonderausweis enthält den Passus, daß Sie jede Waffe kaufen, führen und benutzen dürfen. Die Karte für das Führen einer Schußwaffe enthält auch den Passus, daß Sie berechtigt sind, Ihre Waffe bei Flügen innerhalb des Vereinigten Königreichs bei sich zu behalten. Und Sie sind berechtigt, jeden Beamten zur Hilfe aufzufordern, und können auch Polizisten erlauben, Waffen zu tragen.«
Zamorra war damals mehr als verblüfft über diese »James Bond-Lizenz«, gewesen, wie er den Ausweis einmal scherzhaft genannt hatte. Aber gerade weil dieses Dokument seinem Besitzer so weitreichende Vollmachten einräumte, scheute Zamorra davor zurück, es zu benutzen, wenn es nicht wirklich unbedingt sein mußte. Er konnte sich nicht einmal konkret erinnern, wann er den Ausweis das letzte Mal bei sich getragen hatte, von der Benutzung ganz zu schweigen. Die Verantwortung war Zamorra sehr wohl bewußt, und er wollte sich nicht in Versuchung führen lassen. Deshalb trug er den Ausweis so gut wie nie bei sich.
Er lag im Château Montagne.
»Du meinst doch nicht im Ernst, daß ich den Ausweis benutzen soll, um Gryf einen möglichen Ermittlungsverfahren zu entziehen«, sagte Zamorra. »Das würde doch ein wenig zu weit gehen. Seine Unschuld wird sich schon anders beweisen.«
Nicole richtete sich im Bett auf. »Ich sprach nicht von Gryf, sondern von deiner Arbeitserleichterung«, sagte sie. »Was ist, wenn man dir nicht erlauben will, mit dieser Vampirin zu sprechen? Sie dir anzusehen? Dann stehst du im Regen, wie?«
»Warte es nur ab«, sagte Zamorra. »Es gibt andere Wege als diese Blankovollmacht.«
Etwas später sprang Gryf mit ihm zum New Scotland Yard. Der Druide hatte Babs als Bezugspunkt gewählt. Er kannte sie und ihre Bewußtseinsmuster, nach dem er sich orientieren konnte. Zwischen Tür und Schreibtisch in ihrem Vorzimmer entstanden sie aus dem Nichts. Babs schrak zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß die beiden Freunde auf diese Weise hier erscheinen würden.
Zamorra lächelte Babs Crawford zu. »Hallo! Eigentlich wollten wir uns ja erst für heute abend bei dir zu Hause anmelden…«
»Ihr könnt ja trotzdem kommen«, sagte Babs. »Warum habt Ihr Nicole nicht mitgebracht?«
»Sie langweilt sich lieber im Cottage«, schmunzelte Zamorra. »Was ist nun mit dieser Vampirfrau? Wo wird sie festgehalten?«
»Festgehalten ist gut«, sagte Babs. »Erst mal muß ich meinen Chef überreden, daß er dafür sorgt… Wenn wir Pech haben, ist die Frau schon draußen. Es gibt schließlich kaum eine Handhabe, sie ernsthaft festzuhalten. Daß sie diese andere Frau zu beißen versucht hat und auch verletzte, ist kein Haftgrund. Galen wird…«
Die Tür von draußen wurde aufgestoßen. Inspektor Galen trat ein. Irritiert sah er die beiden Männer im Vorzimmer und erkannte Gryf. »Sie sind ja schon wieder hier. Oder immer noch?«
Gryf zuckte mit den Schultern. »Das ist Professor Zamorra, Inspektor«, stellte er vor. »Ein Mann, der mir helfen wird, nicht nur meine Unschuld endgültig zu beweisen, sondern auch den eigentlichen Täter zu finden.«
Zamorra verzog das Gesicht. Ich möchte dir für -diese Großmäuligkeit den Hals umdrehen, dachte er. Galen
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