0393 - Der Vampir von London
»Höchstens den Brodys. Aber wir haben ohnehin noch eine Weile mit dem Protokoll zu tun. Wann kommt denn Ihr Oberhäuptling zurück?«
»Ich hoffe, bald«, sagte Babs.
»Es wäre schön, wenn ich den Fall abgeben könnte«, sagte Graham und begleitete Babs zur Tür. Draußen raunte er ihr leise zu: »Jemand, der einen anderen Menschen in den Hals zu beißen versucht, kann doch nicht ganz klar im Kopf sein, oder? Aber andererseits macht diese Sheila Brody einen recht normalen Eindruck. Da stimmt was nicht. Ich komme mit der Frau einfach nicht klar. Der Mann ist harmlos.«
»Ich danke Ihnen erst mal. Möglicherweise übernimmt Galen die Sache. Er muß darüber entscheiden.«
Sie kehrte in ihr Vorzimmer zurück. Galen war noch nicht da. Sie war sicher, daß sie ihn überreden konnte, ihr Rückendeckung zu geben - sehr erbaut würde er allerdings darüber nicht sein. Aber er kannte ihre Qualitäten und wußte, daß sie solche eigenartigen Aktionen nicht riskieren würde, wenn nicht wirklich etwas dahinter steckte.
Sie griff zum Telefon. Gryf hatte von Zamorra gesprochen. Wenn der in England war, steckte er höchstwahrscheinlich im Beaminster-Cottage. Und über Zamorra war möglicherweise auch Gryf zu erreichen. Sie begann die Telefonnummer zu wählen. Gryf mußte- herkommen und sich diese Sheila Brody ansehen.
Galen würde trotzdem sein Okay geben müssen. Ohne ihn lief in diesem Fall nichts. Babs hoffte, daß er so bald wie möglich wieder im Büro auftauchte.
***
Terence Brody begriff seine Frau nicht mehr. Aus heiterem Himmel hatte sie die andere junge Frau angegriffen und versucht, ihr die Halsschlagader durchzubeißen. Natürlich war es ihr nicht gelungen, weil das Opfer sich gewehrt hatte. Aber die andere Frau war immerhin verletzt worden.
Und es gab keinen Grund für Sheilas Attacke. Absolut keinen Grund.
Sie selbst stritt es sogar ab. Sie behauptete, nicht zu wissen, was passiert sei. Von einem Moment zum anderen habe sie sich in den Armen von Passanten wiedergefunden, die sie festhielten… Es waren zwei beherzte Männer, die die Furie Sheila gepackt und von ihrem Opfer zurückgerissen hatten, ehe der schockierte Terence eingreifen konnte. Aber da war Sheilas Anfall bereits wieder vorbei gewesen.
Als Sheila über die andere Frau her fiel, hatte er instinktiv auf den Auslöser der Kamera gedrückt.
Jemand hatte gesehen, wie er seine Frau fotografierte im Moment des Überfalls, und die Polizei hatte ihm die Kamera abgenommen, um den Film sofort zu entwickeln. Es ging um das Beweisfoto.
Terence schloß die Augen. Er umschloß Sheilas Hand mit der seinen. Er hatte Angst.
Angst davor, daß Sheila unzurechnungsfähig geworden war. Eine gewalttätige Irre - das war für ihn die schlimmste aller Schreckensvisionen. Denn das würde bedeuten, daß man die junge Frau in eine geschlossene Anstalt einwies.
Und Terence war nicht sicher, ob er selbst das ertragen würde.
Denn er liebte sie doch…
Aber was, um Himmels willen, ging in ihr vor?
***
»Wir kommen, Babs«, sagte Zamorra und legte den Hörer wieder auf die Gabel. Er sah Gryf an.
»Vielleicht haben wir Glück«, sagte er. »Vielleicht ist die Frau ja deine Vampirin. Es deutet immerhin eine Menge darauf hin.«
Gryf nickte. »Dann laß uns die Sache hinter uns bringen«, sagte er und erhob sich.
Er streckte die Hand aus. Zamorra schüttelte den Kopf.
»Die Frau läuft uns nicht weg«, sagte er. »Ich werde Nicole informieren, daß wir nach London springen. Vielleicht will sie sogar mit. Nur nicht drängeln, mein Freund.«
Gryf zuckte mit den Schultern. Er nutzte die Zeit und nahm für ein paar Minuten das Bad in Beschlag, um seine Bartstoppeln zu entfernen. Währenddessen informierte Zamorra Nicole, die vor ein paar Minuten erwacht war, über den neuesten Stand der Dinge.
»Springt ihr ruhig nach London«, sagte sie. »Ich halte hier die Stellung und spiele Eingreifreserve. Vielleicht versuche ich auch zwischendurch hin und wieder mal, das Amulett zu rufen. Möglicherweise hört es auf mich eher als auf dich.«
Daran glaubte Zamorra weniger. Wenn Merlins Stern desaktiviert war, gehorchte er Nicole ebensowenig wie Zamorra.
Der Parapsychologe verstand gut, daß sie keine Lust hatte, in den Fall einzusteigen. Sollte sie also ruhig hier im Cottage bleiben. Außerdem wurden Gryfs Para-Kräfte weniger stark strapaziert, wenn er beim Springen nur eine statt zwei Personen mitzunehmen hatte.
»Warte mal«, sagte Nicole plötzlich. »Ich habe da noch
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