0393 - Die Schwelle zum Nichts
nicht hilflos sein durften. Dutzende von Einsätzen, von denen die Explorerschiffe nicht mehr zurückgekehrt waren, hatten diese Notwendigkeit den Verantwortlichen mit gläserner Klarheit vor Augen geführt.
Jeweils zwölf Kanonen mit Sprengkörpern, die pro Stück eintausend Gigatonnen in Energie umsetzen konnten. Und: was für Vivier Bontainer fast so wichtig war wie die Transformkanonen - seine beiden Freunde waren mit an Bord.
John Sanda, der ewige Junggeselle und Oomph Amber, der diebische Lourener.
Und noch ein Umstand zeichnete dieses Schiff aus. Er war sehr wichtig und bedeutend: Jeder einzelne Terraner an Bord erfüllte mindestens zwei Funktionen. Er war gleichzeitig ein Wissenschaftler mit sämtlichen Auszeichnungen und Zeugnissen und ein vollwertiges Mitglied der Schiffsbesatzung. Er bediente eine Transformkanone ebenso souverän wie ein Elektronenmikroskop, oder einen überschweren Desintegrator mit der gleichen Schnelligkeit und Sicherheit wie eine Versuchsanordnung. Das gesamte Ausbildungsprogramm der Explorerflotte war auf diese Doppelseitigkeit abgestimmt worden. Techniker oder Wissenschaftler - sie konnten in jedem ihrer mindestens zwei Gebiete Vollwertiges leisten. John Sanda beispielsweise war Robotiker; nur für Oomph Amber hatte sich nichts Passendes gefunden. Bontainer hatte ihn, um gerecht sein zu wollen, dem Koch zugeteilt, der „nebenbei" Waffenwart einer Korvette war.
Bontainer wartete; mit ihm warteten das Schiff und eintausenddreihundert Menschen.
Worauf warteten sie?
Bontainer stand auf, drehte den Sessel herum und trank die Tasse leer. Dann schaltete er den Interkomschirm ein und drückte eine bestimmte Taste. Einen Sekundenbruchteil später baute sich das Bild auf, und das schmale Gesicht von John Sanda war auf dem Schirm. Sanda befand sich in der Kommandozentrale.
„Oberst Bontainer?"
„Richtig", gab Vivier zurück. „Hat sich Tifflor schon gemeldet, oder ist etwas anderes geschehen, John?"
John grinste säuerlich.
„So wie du meine strenge Dienstauffassung kennst. Vivier, hätte ich dich in diesem Fall augenblicklich benachrichtigt. Nein, es ist nichts geschehen. Nach wie vor warten ... das ist wieder einmal das Schicksal unserer Mannschaft."
„Ich bin in meiner Kabine", sagte Vivier. „Wenn sich die Herren von der CREST Vauf irgendeine Weise melden, dann benachrichtigen mich bitte."
John Sanda nickte und legte die Hand kurz an die Schläfe.
„Sehr wohl, Sir. Eine Abteilung in der Ortungszentrale", seine Stimme wurde zu einem geheimnisvollen Flüstern, „ist ständig bereit, einen Funkspruch von Terra aufzufangen."
Bontainer runzelte die Stirn und fragte sich, was Sanda meinen könnte. Die nächste Äußerung enthob ihn des Nachdenkens.
„Funkspruch... Terra?" fragte er zurück.
Sandra grinste diabolisch.
„Natürlich. Einen sehnsuchtsvollen Funkspruch von Frau ,Penelope' Bontainer, vormalige Arsali Hingurt, wie du dich sicher erinnern kannst."
„Witzbold!" knurrte Bontainer und schaltete mitten im Lachen seines Freundes die Verbindung ab. Er hörte einige Takte der Musik, nickte nachdenklich und setzte sich wieder. Er nahm das Lesegerät in die Finger und versuchte, den Text weiter zu verfolgen, aber er war abgelenkt, und die Konzentration stellte sich nicht wieder ein.
Julian Tifflor hatte Bontainer den Befehl erteilt, mit der EX-8703 am Treffpunkt Evergreen zu warten.
Dort sollten sich die beiden Schiffe treffen; Die CREST Vnach dem Einsatz auf Baykalob und die EX unter Bontainer. Seit fast neun Tagen warteten eintausenddreihundert Terraner auf einen Funkspruch oder das charakteristische Echo der Fernortung. Das neue Explorerschiff war nicht nur sehr schnell, nicht nur mit tödlichen Waffen ausgerüstet, sondern zudem auch nicht weniger modern, was die wissenschaftlichen Geräte betraf. Jedes Labor, jeder der zahlreichen wissenschaftlichen Abteilungen war hochmodern eingerichtet. Es gab so gut wie kein einziges Wissensgebiet, das nicht an Bord dieses Schiffes behandelt werden konnte. Feinste Untersuchungen und exakteste Bestimmungen waren möglich, und die Wissenschaftler hielten den Standard der Ausrüstung.
Neun Tage warteten sie schon, neun lange Tage.
Bontainers Daumen drückte den kleinen Knopf an der Seitenkante des Lesegerätes hinein, und die Seiten wechselten abermals. Vivier las in einem der neuesten Werke seiner Spezialwissenschaft, einem psychologischen Abriß über die Verwandtschaft terranischer Idiome mit denen der anderen Sprachen,
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