0394 - Die Unheimliche vom Schandturm
gesehen.
Menschen flohen während des Tages in panischer Angst, und sie sprachen von der Unheimlichen vom Schandturm.
Später, man wußte nie, wann genau, mauerte man das obere Turmzimmer zu. Niemand sollte es mehr betreten, und niemand betrat es auch. Dennoch hielt sich das Leben auch über Jahrhunderte hinweg. Aber es war ein schreckliches ein unheilvolles, das nur darauf wartete, in einer anderen Zeit zuschlagen zu können…
***
Einige Jahrhunderte später. August 1985. Die Bundesrepublik Deutschland hatte ihre Spionagefälle, der Sommer war ziemlich mies gewesen, Unwetter hatten viel Schaden angerichtet, in den Kinos lief der neue Bond. Die Sonne holte in den letzten Tagen dieses Monats noch einmal das nach, was sie zuvor versäumt hatte.
Sie verwöhnte die Menschen in der Stadt am Rhein, verlieh dem Dom, dem prächtigen Wahrzeichen, einen goldenen Glanz und sorgte dafür, daß sich noch mehr Menschen auf der Domplatte aufhielten.
Hochbetrieb herrschte an den Anlegestellen der Rheindampfer.
Vollbesetzt fuhren die schneeweißen Schiffe stromauf- und abwärts.
Bunte Fahnen flatterten im Wind. Die Menschen waren fröhlich, sangen und tranken Wein, trotz Glykol-Hysterie.
Köln, die Metropole des Rheinlands, lebte, quirlte, schäumte über, und es hätte jetzt nur der weltberühmte Karnevalsumzug da sein müssen, um die Schau noch perfekter zu machen.
An anderer Stelle aber hatte man andere Sorgen. In einem hohen, kastenartigen und gesicherten Gebäude wurde tage- und nächtelang über das diskutiert, was die Bundesrepublik Deutschland fast bis auf die Grundfesten erschüttert hatte.
Die Flucht eines hohen Beamten nach Ostberlin, das Verschwinden einiger Sekretärinnen und zahlreiche weitere Verhaftungen.
Vom BKA in Wiesbaden zum Verfassungsschutz nach Köln war Kommissar Will Mallmann gekommen. Drei Tage hielt er sich bereits in der Domstadt auf, zwei weitere sollten es noch werden, und Will war zudem noch bereit, ein Wochenende dranzuhängen, um sich die herrlichen romanischen Kirchen anzuschauen, die in der Welt einmalig sind.
Vor dem Vergnügen kam die Arbeit.
Mit einigen Kollegen hockte er zusammen und diskutierte die Fälle. Man redete über Maßnahmen, um so etwas in Zukunft zu verhindern. Da sollten die staatlichen Organe zusammenarbeiten, und Mallmann, ein Mann für Sonderaufgaben, mußte natürlich mitmischen.
Es wurden lange Diskussionen, die sich bis in die Abende hineinzogen. Die Männer bekamen jeweils einen kleinen Imbiß, der sich zumeist aus belegten Brötchen zusammensetzte, wurden jedesmal von neuem zum Schweigen vergattert und dann entlassen.
So war es auch am dritten Abend. Will Mallmann schlenderte als einer der letzten zu seinem Wagen. Er fuhr noch immer seinen Opel Manta. Zwar hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich einen neuen Wagen zuzulegen, aber der alte fuhr noch, er war auch schnell, und für eine Person reichte er immer aus.
An eine erneute Heirat hatte Will nicht gedacht. Karin, seine Frau, war von schwarzmagischen Kräften getötet worden. Der gute Will wollte unter anderem deshalb nicht noch einmal in den Stand der Ehe treten, weil eine Frau an seiner Seite immer gefährlich lebte.
So blieb er in seiner kleinen Junggesellenbude in Wiesbaden wohnen und ging ansonsten voll in seinem Beruf auf.
Ein Kollege aus Bayern erwischte Will noch am Wagen stehend.
»He, Kollege, warte mal.«
Mallmann drehte sich um. Durch den Schwung wäre ihm sein Jackett beinahe von der Schulter gerutscht, weil er es sich nur übergehängt hatte. Zum Glück konnte er es festhalten.
Der Kollege kam heran. Er war ein kerniger Typ und hätte mit seinen roten Pausbacken Reklame für ein Vitaminmittel machen können. Er trug als echter Bayer einen Trachtenanzug.
»Ja, was ist?«
Der Kollege legte eine Hand aufs Autodach des Mantas. »Die Luft in dem Bau war verdammt staubig. Ich habe noch Durst.«
Will lächelte und schaute auf seine Uhr. »Ich im Prinzip auch. Aber in zwei Stunden ist es schon Mitternacht. Wahrscheinlich werde ich im Hotel noch einen Drink nehmen.«
»Darin mußt du ja auf die andere Rheinseite.«
»Ist nicht tragisch.«
Der Bayer lächelte verschwörerisch. »Ich habe mir aber sagen lassen, daß auf dieser Seite des Rheins mehr los ist. Altstadt und so. Das sind tolle Finten. Und bei diesem Wetter ist noch bis weit nach Mitternacht der Bär los.«
»Wieviel Uhr fangen wir morgen früh an?«
Der Mann aus Bayern winkte ab. »Denk doch nicht an so was.«
»Muß ich
Weitere Kostenlose Bücher