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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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schreien und kam sich dabei vor wie ein Tier.
    »Wieso?«
    »Laß sie los!«
    Endlich gehorchte Gertrude. Sie ließ den Arm einfach aus ihrem Griff rutschen. Gretchens leblose Hand klatschte auf den Boden.
    »Es war gut, daß ich das getan habe, Geliebter!« flüsterte Gertrude. »Das letzte Hindernis ist aus dem Weg geräumt worden. Jetzt kann uns keine mehr trennen.« Dann leckte sich die lebende Tote mit ihrer bläulichen Zunge über die Lippen.
    Der Mann war noch einen halben Schritt zurückgegangen. Ekel zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als wollte er das wegwischen, was ihm entgegenwehte.
    Den Geruch von Verfall, Moder und Friedhof. Noch immer dachte er über, die Tatsache nach, daß vor ihm eine Tote stand und mit ihm redete. Dieses Weib war dazu noch seine verstorbene Frau.
    »Hast du dich jetzt damit abgefunden?« fragte Gertrude leise.
    »Nein!«
    »Was muß ich noch tun?«
    »Ich glaube nicht, daß du lebst. Nein, ich glaube es nicht. Das ist ein Spuk, Blendwerk des Teufels. Du bist ein Geist, der über mich gekommen ist…«
    »Können Geister auch töten?«
    »Wie?«
    »Ich habe getötet, mein lieber Gatte. Ich brachte deine Geliebte um. Ich vernichtete sie, raubte ihr durch eine Schlinge den Atem, bis der Körper erschlaffte und…«
    »Hör auf zu reden!«
    Gertrude lächelte noch einmal schmal und hielt tatsächlich den Mund. Dafür stand sie auf.
    Rudolph schaute zu. Der Tod hatte sie nicht allein äußerlich verändert, auch ihre Bewegungen waren anders geworden. Nicht mehr fließend, eher stockend, quälend und dabei auch sehr langsam. Schließlich blieb sie vor dem Bett stehen, die Arme ausgebreitet, ein Wesen, das Grauen abstrahlte und als Tote über die Lebenden herrschen wollte.
    Für eine kurze Zeitspanne hatte Ricardis die Hoffnung, daß seine Frau verschwinden würde, den Gefallen tat sie ihm noch nicht. Ihre Arme pendelten leicht, als sie fragte: »Wolltest du nicht einen Beweis von mir haben?«
    »Wie…?«
    »Daß ich tatsächlich zurückgekehrt bin und den Namen Gertrude Ricardis führe, der auch auf meinem Grabstein steht. Ich werde es dir beweisen. Was soll ich tun, damit du mir glaubst?«
    »Du sollst mir aus den Augen gehen, Verdammte!«
    »Ich werde dich verlassen, aber ich komme wieder, und ich werde dir einen Beweis mitbringen. Sag, was du von mir verlangst, Los, sprich, mein geliebter Gatte!«
    Rudolph verengte die Augen. »Willst du mir wirklich einen Beweis für deine Existenz herbringen?«
    »Ja!«
    Er nickte. »Dann ist es gut. Geh nach unten in den Stall und hole deine beiden Reitpferde, die du schon zu deinen Lebzeiten so geliebt hast.«
    »Das ist alles?«
    »Ja, mehr verlange ich nicht.«
    Sie nickte ihm zu. »Ich werde dir den Gefallen erweisen. Warte nur, ich komme zurück.«
    Sie drehte sich um und ging zur Tür. Ihre Schritte waren steif, die nackten Füße klatschten bei jeder Berührung auf den Holzboden, und als sie die Klinke umklammert hielt, drehte sie sich um, wobei sie ihren Gatten noch einmal anschaute. »Bleibe im Zimmer«, erklärte sie. »Es nutzt dir nichts, wenn du verschwindest. Du brauchst auch nicht die Tür zu verriegeln. Ich würde sie immer eintreten können, denn ich bin stärker als normale Menschen…«
    Rudolph konnte nichts mehr sagen. Er senkte den Kopf und bekam kaum mit, daß seine Frau verschwand.
    Ihre Rückkehr hatte ihn furchtbar geschockt…
    ***
    Der Kaufmann wußte nicht, wie lange er unbeweglich auf dem Fleck gestanden hatte. Er hatte nachzudenken versucht, selbst das war mißlungen, weil sich seine Gedanken überschlugen. Sie bildeten den totalen Wirrwarr.
    War das der Anfang vom Ende der Welt?
    War nicht schon in der Bibel angekündigt worden, daß sich die Gräber öffnen und die Toten aus der Erde steigen würden?
    Rudolph Ricardis glaubte, daß seine Frau diesen Neubeginn eingeleitet hatte.
    Der Regen, der Orkan, der Donner, die fernen Blitze, sie waren bereits die Vorboten gewesen. Die Strafe des Herrn würde über die Sünder kommen und sie vernichten.
    »O Grauen«, flüsterte der Mann. »O Grauen.« Er rang die Hände.
    Aus ihm war in den letzten Minuten ein Wrack geworden, ein gebrochener Mensch, der sich auf eine herrliche Nacht gefreut hatte und miterleben mußte, wie nah beieinander Glück und Grauen waren.
    Er bückte sich.
    Die Hand hatte er gesehen. Irgendwie wollte es ihm nicht in den Kopf, daß Gretchen nicht mehr lebte. Sie war so jung und feurig gewesen, sie konnte man doch nicht so einfach töten. Die Hand

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