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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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löste und mit gemessenen Schritten auf ihren Gatten zuging.
    »Was willst du?« fragte er flüsternd. »Bleib mir vom Leib, du Satansweib!«
    Sie lachte. »Hast du vom Satan gesprochen, lieber Gatte? Da wirst du gar nicht mal so Unrecht haben. Der Satan ist tatsächlich mein Freund. Ich habe einen Blick in die Hölle werfen können. Ich habe ihn gesehen, und er war einfach wunderbar. In seinem Zeichen lebe ich. Und ich werde in seinem Zeichen weiterleben, das kann ich dir versprechen. Aber ich werde dir noch mehr sagen, lieber Gatte. Du wirst an meiner Seite bleiben. Ist das nicht herrlich? Ich erinnere mich noch sehr gut an deine Worte, die du mir auf dem Sterbebett zugeflüstert hast. Du wolltest mich ewig lieben. Du hättest so gern an meiner Seite bleiben wollen. Nun, lieber Rudolph, dein Wunsch hat sich früher erfüllt, als du gedacht hast. Du bist wieder mein, ich bin dein…«
    Eine lebende Tote hatte die Worte gesprochen. Ein Mensch, der begraben und zurückgekehrt war.
    Erst im nachhinein wurde Rudolph diese Tatsache bewußt. Er schüttelte den Kopf, schluchzte und bekam mit, wie sich Gertrude gegen ihn drängte, so daß er sie zum erstenmal spürte.
    Das Grauen überkam ihn wie eine Flutwelle. Der kräftige Mann war nicht mehr in der Lage, sich zu wehren. Ein steifer, kalter Körper preßte sich gegen den seinen, und er bog den Rücken durch. Das nutzte ihm nichts, denn er wurde mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt.
    Die Arme erschienen in seinem Blickfeld, danach die Hände. Wie gichtkrumme Stöcke sahen die Finger aus, deren Spitzen plötzlich über seine Wangen glitten, einen Schauer der Furcht auf seinem Rücken hinterließen, weiterwanderten und auch gegen sein Kinn stießen. Sie umfaßten es, als wäre es ein besonders kostbares Teil.
    Hinter ihnen sah der Mann das Gesicht der lebenden Toten. Eine bleiche, blanke Fratze mit den strähnigen, völlig verschmutzten und verklebten Haaren, die nach Erde und Friedhof rochen.
    »Ja!« flüsterte die Frau. »So werde ich dich haben, immer haben. Und jetzt mein geliebter Gatte, wirst du das tun, was jeder Mann mit seiner Frau, die ihm angetraut ist, darf. Küß mich!«
    Sie hatte verlangt, daß er sie küßte. Er sollte seine Lippen gegen den Mund einer Toten drücken, den Geschmack nach Moder, Erde und Friedhof spüren. Das war zuviel.
    Und er sah, wie sich ihr Kopf dem seinen näherte, wie sie ihren Vorsatz in die Tat umsetzen wollte, da riß bei Rudolph der Geduldsfaden. Bisher war er nicht in der Lage gewesen, sich zu wehren.
    Plötzlich aber drehte er durch.
    Zuerst riß er sein rechtes Bein hoch. Das Knie rammte den Leib der Frau und stieß sie vor. Rücklings krachte die lebende Leiche auf das Bett und federte nach. Für Rudolph war dieser letzte Vorgang wie ein Startzeichen für andere Aktionen gewesen.
    Er wollte weg.
    Und er schaffte auch die ersten Schritte. Als sich Gertrude vom Bett aufrichtete, erwischte es ihn doch.
    Es schien so, als hätte sie sich ihre beiden Pferde als Leibwächter geholt, denn sie griffen plötzlich ein und keilten aus. Sie schleuderten ihre Hinterbeine zurück. Die Hufe flogen hoch, waren auf ein bestimmtes Ziel fixiert und trafen auch.
    Rudolph Ricardis spürte die harten Treffer in seinem Rücken. Er bekam keine Luft mehr, und einen Augenblick später erwischte ihn der Huf des zweiten Tieres.
    Diesmal am Kopf.
    Aus leeren Augen schaute Gertrude zu, wie ihr Mann zu Boden sank. Sein Schädel war nicht hart genug gewesen, er hatte den Schlägen nicht widerstehen können, war aufgerissen und deformiert worden, und mit dieser Wunde konnte kein Mensch leben.
    Auch ein Rudolph Ricardis nicht.
    Er lag auf dem Bauch, sein Gesicht befand sich mit der Bettkante fast auf einer Höhe, und er konnte unter das Bett schauen, wo ebenfalls ein bleiches Gesicht mit gebrochenen Augen ihn anstarrte.
    Das seiner Geliebten.
    Gertrude aber erhob sich. Sie blickte auf den Rücken ihres Mannes und begann leise zu lachen.
    »Erwischt habe ich dich«, flüsterte sie. »Erwischt, mein Lieber. Du konntest mir nicht entkommen, du hast es nicht ehrlich gemeint. Ich aber lebe, du bist tot, und ich werde weiterleben, das verspreche ich dir, Rudolph.«
    Sie schüttelte sich, als hätte jemand Wasser über sie gegossen, dann ging sie zu ihren beiden Pferden, die sich mittlerweile wieder beruhigt hatten, und sie schob ihren Kopf in die Lücke zwischen ihnen, um in die Nacht zu starren.
    Stundenlang stand sie in dieser Haltung. Sie wurde auch

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