Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0395 - Luzifers Paradies

0395 - Luzifers Paradies

Titel: 0395 - Luzifers Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Raben… hier, und drüben am Karer Paß. Das konnte kein Zufall mehr sein. Jemand hatte ihr diese Vögel geschickt.
    Weshalb?
    Als Unheilverkünder? Diesen Ruf hatten sie schon immer besessen, aber es gab sie auch als Boten und Beobachter, so wie Hugin und Munin, die Wotan in der nordischen Mythologie als seine Augen und Ohren durch die Welt schickte, damit sie ihm berichteten, was geschah.
    Boten und Beobachter…?
    Aber das Gefühl, angestarrt zu werden, hatte sie diesmal nicht gehabt.
    Da schrie wieder ein Rabe!
    Diesmal so laut, daß es Lukas Leitner auch bei geschlossenem Fenster hören mußte! Laut und nah!
    Teris Kopf flog herum. Die Läden waren noch nicht von draußen vor ihr Dachfenster geklappt, und deshalb konnte sie den schwarzgefiederten Burschen deutlich sehen, der auf der Fensterbank hockte und heftig mit den Flügeln schlug. Wieder klappte der Schnabel weit auf, und das nervtötende Krächzen und Schreien erklang.
    »Nun halt doch mal die Klappe, Alter«, fuhr Teri ihn an, riß das Fenster auf und wollte den Raben von der Fensterbank verscheuchen.
    Ihre Hadnd ging ins Leere.
    Der Rabe war nicht mehr vorhanden.
    Aber sie hatte nicht gesehen, wie er davonflog. Er konnte auch keine optische Täuschung sein; Gegenstände, die einen entsprechend aussehenden Spiegelreflex gegen die Fensterscheibe warfen, gab es in ihrem Zimmer nicht. Und draußen brannte die Hoflampe die ganze Nacht; es war also hell genug, daß sie auch bei beleuchtetem Zimmer sehen konnte, was sich unmittelbar vor der Scheibe abspielte.
    Sie schloß das Fenster wieder. Ein Schalterdruck löschte das Licht, und dann wartete sie darauf, daß der Rabe sich wieder zeigte und schrie. Aber diesen Gefallen tat ihr der Unheilbote nicht. Er machte sich nicht wieder bemerkbar.
    Es dauerte lange, bis Teri einschlief. Und im Traum sah sie Laurin, den Zwergenkönig, in seinem verwüsteten Garten stehen und hörte ihn verbittert rufen: »Der anger sî verflouchet der rôsen hat getragen!« Und noch während er rief, verwandelten sich Blumen und Sträucher in grauen Stein. Und so deutlich hörte sie Laurin seinen Fluch rufen, daß sie glaubte, er stände mitten in ihrem Zimmer.
    Sie schreckte aus dem Schlaf hoch und sah sich verwirrt um.
    Niemand war in ihrem Zimmer.
    Lange starrte sie aus dem Fenster nach draußen und beobachtete das Wandern der Gestirne.
    ***
    »Es muß ein kleines Wunder passiert sein«, sagte Sibylle Leitner beim Frühstück, an dem Teri ein wenig müde und lustlos teilnahm, weil sie wenig und schlecht geschlafen hatte. Sibylle hatte auch wenig geschlafen, aber aus anderen Gründen, und sie wirkte entschieden munterer.
    »Ein Wunder? Wieso?« knurrte Lukas, für den es bereits das zweite Frühstück war. »Hat Anton dir endlich einen Termin für die Heirat genannt?«
    Sibylle lachte. Seit drei Jahren waren sie verlobt, schoben aber die Hochzeit immer wieder vor sich her. Mal paßte ihm etwas nicht, mal ihr, mal war jemand aus der Verwandtschaft, der unbedingt hätte dabei sein müssen, unpäßlich…
    Marie sah ihren Mann strafend an. »Lukas! Laß die armen Kinder doch! Du weißt doch selbst, daß sie es nicht einfach haben, weil immer wieder etwas dazwischenkommt.«
    »Na, das Wunder… ich habe heute nacht zum ersten Mal seit einer kleinen Ewigkeit wieder einen Raben hier gesehen«, stellte Sibylle fest.
    Teri sah sie erstaunt an.
    Lukas tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn. »Um drei hat Anton dich nach Haus gebracht, und da hast du einen Raben gesehen? Die fliegen auch unbedingt nachts herum, wie?«
    Er schnappte nach Luft. Dann sah er Teri an. »Moment mal, haben Sie nicht gestern abend auch etwas von einem Raben erzählt? Was war das noch gleich?«
    »Ich hörte zwei Raben schreien. Und später hockte einer vor meinem Fenster. Haben Sie die wirklich nicht krächzen gehört?« Fragend sah sie erst Lukas und dann Marie an. Aber auch Marie Leitner konnte sich an so ein ungewöhnliches Geräusch nicht erinnern.
    »Das ist ja eigenartig«, sagte Sibylle. »Also, ich bin ganz sicher, daß ich diesen Raben gesehen hatte. Er saß auf dem Zauntor und starrte mich an, und als ich näher kam, flog er auf und verschwand in der Nacht.«
    »Mit Ausnahme von Meister Uhu und seinen kauzigen Artgenossen geben sich Vögel bei Nacht allgemein dem Schlaf hin«, sagte Lukas. »Was du gesehen hast, war eine Täuschung. Vielleicht ein Blatt, das die Umrisse eines Raben vortäuschte. Und…«
    Wieder sah er Teri an. Nein, die Schreie konnte

Weitere Kostenlose Bücher