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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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der Wahrheit entsprechen. Der gallische Kapitän war ein tapferer Mann. Kennt Ihr seinen Namen, Eadulf?«
    »Er hieß Waroc.«
    »Also, Waroc war ein tapferer Mann«, wiederholte Fidelma. »Er floh von der Insel Dóirse, wo das Schiff vertäut lag. Wir kennen diesen Teil der Geschichte aufgrund der Informationen, die Ross dort gesammelt hat und die Euern Bericht bestätigen, Eadulf. Waroc war seinen Häschern erneut entkommen und beschloß, den Versuch zu wagen und sein Schiff ganz allein zu segeln. Ein tapferes, aber tollkühnes Unterfangen. Vielleicht wollte er nur ein Stück die Küste entlangsegeln und in einem befreundeten Hafen Hilfe holen.«
    »Wie hat er das geschafft?«
    »Er kappte die Ankertaue mit der Axt. Wir sahen die durchtrennten Taue, als wir das Schiff durchsuchten.«
    Odar nickte grimmig. Er erinnerte sich, wie er Ross und Fidelma die abgeschnittenen Tauenden gezeigt hatte.
    »Dann ließ er sich wahrscheinlich von der Strömung aus der Meerenge treiben«, sagte Ross, der die Gewässer dort gut kannte.
    »Es gelang ihm, das Großsegel zu hissen«, fuhr Fidelma fort. »Am schwierigsten war das Hissen des Marssegels. Wir wissen nicht, wodurch er verletzt wurde, ob von seinen Häschern, bei einem seiner Fluchtversuche oder bei seinen Bemühungen, ganz allein die Segel zu setzen. Wie dem auch sei, er kletterte in die Takelage, und beinahe hätte er es geschafft. Vielleicht geriet das Schiff ins Schlingern, vielleicht erwischte ihn ein Windstoß oder er verlor den Halt, wer kann das wissen? Waroc stürzte, und beim Absturz zerriß eine Spiere oder ein Nagel sein Hemd und vielleicht auch sein Fleisch. Wir fanden ein blutbeflecktes Stück Leinen im Tauwerk und auch Blut an den Tauen. Noch im Fallen versuchte er verzweifelt, sich irgendwo festzuklammern. Er bekam die Reling zu fassen – wir fanden dort den blutigen Abdruck einer Hand. Dann konnte er sich nicht mehr halten. In dem eisigen Wasser kann er nicht lange überlebt haben. Vielleicht war er bereits nach wenigen Minuten tot.«
    Es entstand ein kurzes, betretenes Schweigen, bevor Fidelma zum Schluß kam.
    »Einige Stunden später, am nächsten Vormittag, traf Ross’ barc auf das Handelsschiff, das herrenlos von der Strömung hin- und hergetrieben wurde. Ross ist ein ausgezeichneter Seemann und konnte Eure Spur anhand der Gezeiten und Winde zurückverfolgen. Und ich war entschlossen, Euch zu finden, Eadulf.«
    Eadulf sah sie überrascht an.
    »Ihr wart an Bord dieser barc? «
    »Ich hatte den Auftrag, zu Schwester Comnats Abtei zu reisen und Nachforschungen anzustellen über einen Leichnam, den man dort entdeckt hatte.«
    »Aber woher wußtet Ihr denn, daß ich auf dem Schiff war? Ach so!« Man sah ihm an, daß er plötzlich begriffen hatte. »Ihr habt meine Büchertasche in der Kajüte gefunden, richtig?«
    »Ich habe Euer Meßbuch an mich genommen«, bestätigte Fidelma. »Es liegt in Schwester Comnats Abtei, nicht weit von hier. Wir müssen vor Tagesanbruch dort sein, sonst stellt man uns nur unnötig viele Fragen.«
    Schwester Comnat musterte Fidelma erschrocken.
    »Ihr spracht von einem Leichnam? Und Ihr sagtet, Schwester Almus Flucht sei nicht geglückt … Ihr habt gesagt, sie sei tot.«
    Fidelma legte erneut ihre Hand auf den Arm der älteren Nonne und drückte ihn tröstend.
    »Ich weiß es noch nicht mit letzter Gewißheit, Schwester, aber ich bin ziemlich sicher, daß es sich bei der Toten, die vor über einer Woche gefunden wurde, um Schwester Almu handelt.«
    »Aber irgend jemand muß die Leiche doch erkannt haben?«
    Fidelma wollte der Schwester nicht noch mehr Kummer bereiten, doch es hatte keinen Sinn, ihr die Wahrheit zu verschweigen.
    »Die Tote wurde enthauptet, und der Kopf ist verschwunden. Es handelte sich um den Leichnam eines jungen Mädchens, kaum achtzehn Jahre alt. An der rechten Hand hatte sie Tintenflecke, an Daumen und Zeigefinger und an der Außenseite des kleinen Fingers. Daraus schließe ich, daß sie als Kopistin oder in einer Bibliothek arbeitete. Außerdem war deutlich zu sehen, daß sie erst vor kurzem eine Fußfessel getragen hatte und ausgepeitscht worden war.«
    Schwester Comnat holte tief Luft.
    »Dann ist es tatsächlich Schwester Almu, aber … wo wurde der Leichnam entdeckt?«
    »Im Hauptbrunnen der Abtei.«
    »Das verstehe ich nicht. Wenn sie von Gulbans Leuten oder von den Uí Fidgenti geschnappt wurde, warum sollten die den Leichnam im Brunnen der Abtei verstecken und so erst recht Aufmerksamkeit

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