04 - Die Tote im Klosterbrunnen
Beara.«
Fidelma preßte automatisch die Kiefer aufeinander.
Unglaublich! War Olcán also bereits über Comnats und Eadulfs Flucht aus den Kupferminen informiert?
»Sagt ihm, ich werde ihn gleich empfangen«, bat sie und widmete sich wieder ihrer Morgentoilette. Schwester Brónach ging hinaus, und Fidelma rieb sich mit dem kaltem Wasser ab und wünschte nichts sehnlicher, als wieder in ihr warmes, gemütliches Bett zu kriechen. Sie widerstand der Versuchung und bemühte sich, so ausgeruht zu wirken, als hätte sie die ganze Nacht tief und fest geschlafen.
Zehn Minuten später traf sie Olcán in der duirthech . Im Hintergrund der hölzernen Kapelle brannte ein Feuer im Kohlenbecken. Abgesehen von den Räumlichkeiten, zu denen nur die Mitglieder der Gemeinschaft Zutritt hatten, schien hier der einzige warme Ort zu sein, an dem Besucher Zuflucht vor Wind und Wetter suchen konnten.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Schwester«, grüßte Olcán und erhob sich. Er wirkte ausgeruht und gutgelaunt. »Ich höre, Ihr habt verschlafen?«
Fidelma wünschte, Schwester Brónach hätte ihm das nicht so freimütig erzählt.
»Das Festessen bei Adnár gestern abend war sehr angenehm«, entgegnete sie. »So ausgezeichneten Wein und so leckere Speisen bekomme ich nicht alle Tage. Ich fürchte, ich habe den Köstlichkeiten allzu reichlich zugesprochen.«
»Ihr seid doch früh gegangen«, bemerkte Olcán.
Fidelma sah dem jungen Mann direkt in die Augen, um herauszufinden, ob in seinem Tonfall eine versteckte Anspielung lag.
»Vielleicht früh für Euch, aber nicht für eine Nonne«, antwortete sie. »Es war schon Mitternacht, als ich hier ankam.«
»Und jetzt ist es schon nach acht«, bemerkte Olcán, stand auf und reckte und streckte sich vor dem Kohlenbecken. Er trat an eines der Fenster, von dem man einen guten Ausblick über die Meerenge hatte. »Ich sehe, daß Ross mit seiner barc wieder losgesegelt ist. Er muß mit der Flut am frühen Morgen aufgebrochen sein.«
Trieb Olcán etwa ein heimtückisches Spiel mit ihr? Fidelma hatte keine Ahnung, worauf seine Bemerkungen abzielten.
Sie trat neben ihn und ließ den Blick über die Bucht schweifen. Nur das gallische Handelsschiff mit seinen riesigen Masten ankerte dort auf dem ruhigen blauen Meer. Ross hatte unbemerkt abreisen können. Insgeheim seufzte sie erleichtert auf.
»Sieht ganz so aus«, erwiderte sie, als wüßte sie von nichts.
Olcán musterte sie prüfend.
»Ihr wußtet nicht, daß er wegfährt?« Die Frage kam unerwartet und in scharfem Ton.
»Ross pflegt mich nicht in seine Geschäfte einzuweihen. Ich weiß nur, daß er regelmäßig entlang der Küste Handel treibt. Wahrscheinlich kommt er bald wieder. Er hat einen Teil seiner Besatzung zurückgelassen, damit sie sich um das Schiff kümmern, das er auf See geborgen hat«, erklärte sie und deutete auf das Handelsschiff, »und außerdem soll er mich nach Ros Ailithir zurückbringen, sobald ich meine Untersuchung abgeschlossen habe.«
»Und ist die Untersuchung denn abgeschlossen?«
»Wie ich bereits gestern abend sagte, es gibt noch viel herauszufinden und zu bedenken.«
»Ach? Ich dachte, Ihr hättet gewisse Fortschritte gemacht.«
Es gelang Fidelma, ihn ganz verblüfft anzusehen.
»Gewisse Fortschritte? Seit gestern nacht? Leider hat niemand mich geweckt und mir von Fortschritten berichtet.«
»Ich meinte …« Olcán zögerte und zuckte dann die Achseln. »Ach, nichts. Es war nur so eine Idee«, druckste er verlegen herum.
»Schwester Brónach sagte, Ihr wolltet mich sprechen.« Jetzt war Fidelma am Zuge. »Ich nehme an, es ging Euch dabei nicht nur darum, zu hören, ob ich gut geschlafen habe, und mir mitzuteilen, daß Ross abgereist ist?«
Ihr spöttischer Unterton verwirrte Olcán.
»Oh, Torcán und ich gehen heute auf die Jagd, und da haben wir uns gefragt, ob Ihr vielleicht mitkommen wollt. Bei unserer ersten Begegnung habt Ihr den Wunsch geäußert, die historischen Stätten unserer Halbinsel zu besichtigen, und wir kommen mit Sicherheit an einigen höchst interessanten Stellen vorbei.«
Fidelma bemühte sich, ernst zu bleiben, denn es war allzu offensichtlich, daß Olcán diese Ausrede gerade erst erfunden hatte.
»Vielen Dank, daß Ihr an mich gedacht habt, aber heute muß ich meine Nachforschungen hier fortsetzen.«
»Dann werde ich, mit Eurer Erlaubnis, Schwester, jetzt zu Torcán zurückkehren und aufbrechen. Adnárs Jagdmeister hat auf dem Berg westlich von hier ein kleines Rudel
Weitere Kostenlose Bücher