04 - Die Tote im Klosterbrunnen
Fidgenti – unterstützte Guaire. Die Uí Fidgenti waren schon damals Querköpfe und versuchten, auf dem schnellsten Weg an die Macht zu kommen. Es war ein blutiger Kampf. Beide Cúans wurden getötet, aber Guaire floh vom Schlachtfeld, und der Oberkönig ging als Sieger hervor. Das war meine erste Begegnung mit der blutigen Kunst des Krieges. Gott sei Dank war es auch meine letzte.«
Fidelma bemühte sich, ihre Ungeduld zu zügeln.
»Was hat das alles mit den tormenta zu tun?«
»Leicht zu erklären«, erwiderte Ross. »Ich habe das Töten kennengelernt und weiß, welch schrecklicher Schaden durch solche Waffen angerichtet werden kann. Unsere Krieger würden zu Hunderten niedergemetzelt, und Cashel könnte sich nicht dagegen wehren. Die Vernichtungsvorrichtungen können sogar eine Bresche in die Festungsmauern schlagen. Ihre Reichweite beträgt, wie der Sachse schon sagte, über fünfhundert Meter. Soviel ich auf meinen Handelsreisen in Gallien gehört habe, waren die Römer dank solchen Kriegsgerätes fast unbesiegbar.«
Fidelma musterte sie alle mit ernster Miene.
»Deshalb also durfte die Einführung der tormenta nicht bekannt werden. Gulban und Eoganán von den Uí Fidgenti wollen sie als Geheimwaffe einsetzen, aller Wahrscheinlichkeit nach als Vorausabteilung bei einem Überraschungsangriff auf Cashel.«
»Jetzt ergibt alles einen Sinn«, seufzte Eadulf. »Und erklärt außerdem, warum Gulbans Männer, gleich nachdem die Franken mit ihren Waffen an Land gebracht waren, sich des gallischen Schiffes samt Besatzung sowie meiner Wenigkeit als einzigem Passagier bemächtigten. Sie wollten verhindern, daß die Kunde über die Fracht dieses Schiffes nach außen dringt. Wahrlich ein schlechter Tag, als ich die Überfahrt auf diesem Schiff buchte.«
»Erzählt mir, wie der gallische Kapitän entkommen konnte«, forderte Fidelma ihn plötzlich auf.
»Woher wißt Ihr davon?« erkundigte sich Eadulf. »Ich wollte Euch gerade darüber berichten.«
»Auch das ist eine lange Geschichte, doch mag es vorerst genügen, zu erwähnen, daß wir das gallische Schiff geborgen haben.«
»Die Leute, mit denen ich sprach, haben einen gallischen Gefangenen an Bord gesehen«, erklärte Ross. »Sie erzählten, daß er geflohen und mitsamt dem Schiff verschwunden sei, während die Krieger der Uí Fidgenti sich an Land aufhielten.«
Fidelma bedeutete ihm zu schweigen.
»Laßt Eadulf berichten.«
»Also gut«, begann der Mönch. »Vor ein paar Tagen gelang es dem Kapitän und zwei seiner Matrosen, aus den Minen zu entfliehen. Sie nahmen ein kleines Boot und ruderten zu einer Insel vor der Küste …«
»Dóirse«, unterbrach Ross.
»Das gallische Handelsschiff lag noch im Hafen. Die Wachen nahmen die Verfolgung auf. Sie setzten Segel und jagten mit dem Schiff hinter dem Boot her. Tags darauf kehrten sie zurück – ohne das Schiff und ohne die drei Gallier.«
»Wißt Ihr, was passiert ist?«
Eadulf zuckte die Achseln.
»Unter den Gefangenen kursierten Gerüchte, die ich hier und dort aufschnappte, während ich mich um sie kümmerte … wenn man Gerüchten überhaupt glauben darf. Es hieß, die Krieger hätten das kleine Boot verfolgt und versenkt und dabei die beiden Matrosen getötet. Der Kapitän wurde gerettet und erneut gefangengenommen. Da es schon beinahe dunkel war, liefen sie den kleinen Inselhafen an. Sie gingen alle an Land, um die Gastfreundschaft des dortigen Häuptlings zu genießen, das heißt, alle außer einem – und dem gallischen Kapitän. Während der Nacht konnte der Gallier ein zweites Mal entkommen. Es hieß, er habe seinen Bewacher getötet. Er war ein erfahrener Seemann, und es gelang ihm, ganz allein die Segel zu setzen und in die Nacht hinauszufahren. Ich hatte gehofft, er würde Rettung für seine Besatzung holen. Doch Ihr sagtet, Ihr habt ihn und sein Schiff geborgen?«
Fidelma verneinte.
»Ihn nicht, Eadulf. Er hat nicht überlebt. Wir trafen am nächsten Morgen auf das Handelsschiff, das mit aufgezogenen Segeln fuhr, doch es war niemand an Bord.«
»Niemand? Was ist denn passiert?«
»Ich glaube, ich kenne jetzt das Geheimnis«, erwiderte Fidelma leise. Ross und Odar beugten sich vor, und ihre Augen traten vor Neugier fast aus den Höhlen, während sie auf die Auflösung des Rätsels warteten, das sie tagelang im dunkeln tappen ließ.
»Könnt Ihr die geheimnisvollen Ereignisse wirklich erklären?« fragte Ross.
»Ich kann nur Vermutungen anstellen, bin jedoch ziemlich sicher, daß sie
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