04 - Die Tote im Klosterbrunnen
Freunden, gute Schwester«, versicherte er ihr. »Das ist Fidelma von Kildare, eine Advokatin der Gerichtsbarkeit. Ich kenne sie gut. Habt keine Angst. Erzählt ihr Eure Geschichte, so wie Ihr sie mir erzählt habt.«
Es gelang Schwester Comnat, sich zusammenzureißen, auch wenn man ihr ihren Kummer ansah. Sie fuhr sich mit zitternden Fingern über die Stirn, als müsse sie die Erinnerung erst suchen.
»Fidelma von Kildare? Dieselbe Fidelma, die die geheimnisvollen Morde in Ros Ailithir aufgeklärt hat?«
»Ja. Ich bin Fidelma.«
»Dann seid Ihr die Schwester von Colgú, dem König von Cashel. Ihr müßt Euern Bruder warnen. Sofort.« Die Stimme der Alten klang plötzlich schrill, und Fidelma mußte beschwichtigend ihre Hand ergreifen.
»Ich verstehe nicht. Wovor muß ich ihn warnen?«
»Sein Königreich ist in Gefahr. Er muß gewarnt werden«, wiederholte Schwester Comnat.
»Ich möchte alles verstehen. Was ist passiert, seit Ihr und Schwester Almu die Abtei verlassen habt?«
Schwester Comnat nahm ihre fünf Sinne zusammen und atmete tief durch.
»Vor gut drei Wochen brach ich mit Schwester Almu zur Abtei in Ard Fhearta auf, um die Kopie eines Buches, die wir angefertigt hatten, dorthin zu bringen. Wir erreichten Gulbans Festung und wollten dort übernachten. Man nahm uns auch gastfreundlich auf, doch am nächsten Morgen bemerkten wir, daß innerhalb der Festungsmauern zahllose Krieger Übungen abhielten, darunter viele fremdländische Soldaten.
Schwester Almu erkannte unter Gulbans Begleitern Torcán von den Uí Fidgenti. Wir wissen, daß die Uí Fidgenti dem Volk der Loígde nicht wohlgesonnen sind, und fragten uns deshalb, was das zu bedeuten hatte. Almu traf eine junge Frau, die sie noch aus der Zeit vor ihrem Eintritt in die Abtei kannte, und die erzählte uns, Gulban habe mit Eoganán von den Uí Fidgenti ein Bündnis geschlossen.«
»Ein Bündnis? Zu welchem Zweck denn?« fragte Ross besorgt.
»Gulban schien sehr erbost über die Entscheidung auf der Versammlung der Loígde, Bran Finn, den Sohn von Mael Ochtraighe, zum Häuptling und Nachfolger Salbachs zu wählen.«
»Ich weiß, daß Gulban selbst Anspruch auf das Amt des Häuptlings erhob, nachdem Salbach in Ungnade gefallen und abgesetzt worden war«, erklärte Fidelma. »Ich war bei der Versammlung dabei.«
»Da Gulban bei den dort Anwesenden nicht genug Unterstützung fand und Bran Finn jetzt Häuptling ist, scheint er nun zu anderen Mitteln zu greifen«, warf Ross ein.
»Hat er etwa vor, mit Hilfe der Uí Fidgenti Bran Finn anzugreifen?«
»Schlimmer«, antwortete Schwester Comnat. »Die Prinzen der Uí Fidgenti sind sehr mächtig, wie Ihr sicher wißt. Sie wollen nach Cashel marschieren und König Colgú stürzen. Im Gebiet der Uí Fidgenti wird ein ganzes Heer zusammengezogen, das Cashel angreifen soll – unter Führung von Eoganán. Sobald Colgú gestürzt ist, wird Eoganán Gulban belohnen und ihn zum Herrscher über die Loígde und über den ganzen Süden von Muman ernennen.«
»Seid Ihr ganz sicher?« Fidelma war überrascht von dem Doppelspiel der Uí Fidgenti, auch wenn sie den lange gehegten Wunsch ihres Prinzen, die Macht in Cashel an sich zu reißen, nur allzu gut kannte.
»Wenn ich den Worten der jungen Frau nicht vertraut hätte, die uns für Gefolgsleute Gulbans hielt, und wenn ich meinen eigenen Augen nicht getraut hätte, die sahen, wie Gulbans Krieger unter Anleitung Torcáns von den Uí Fidgenti ausgebildet wurden, dann hätte spätestens unsere Gefangennahme bewiesen, daß die Geschichte stimmte.«
»Wie und warum wurdet Ihr gefangengenommen?«
»Schwester Almu und ich besprachen das Gehörte und überlegten, was zu tun sei. Wir sind treue Untertanen von Bran Finn, der wiederum Colgú in Cashel treu ergeben ist. Uns war klar, daß wir sie vor dieser Revolte warnen mußten. Doch wir handelten unüberlegt und erregten das Mißtrauen von Gulbans Männern, denn wir gingen die Straße in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren, anstatt weiterzugehen nach Ard Fhearta, das wir ihnen als Ziel genannt hatten.«
»Also nahm Gulban Euch beide gefangen?«
»Er hat das zweifellos angeordnet, auch wenn wir ihn nicht zu sehen bekamen. Seine Krieger brachten uns zu den Kupferminen, wo Ihr mich gefunden habt. Wir sollten uns um die seelischen und gesundheitlichen Bedürfnisse der Geiseln kümmern, die in den Minen schufteten, bis Gulban über unser weiteres Schicksal befunden hatte.«
Nun mischte sich Bruder Eadulf
Weitere Kostenlose Bücher