04_Es ist was Faul
Sie wirklich ganz sicher, dass Yorrick Kaine fiktional ist?«
Ich bestätigte es.
Victor stand auf und trat ans Fenster. »An Kaine heranzukommen ist nahezu unmöglich«, sagte er. »Weiß er, dass Sie
wieder hier sind?«
»Bestimmt«, sagte Bowden.
»Dann weiß er auch, dass Sie seine Position als Machthaber
fast genauso gefährden wie Präsident Formby. Ich glaube, Sie
müssen sehr aufpassen. Können wir irgendwie helfen?«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Ja, vielleicht. Jurisfiktion
hat nicht feststellen können, wo Yorrick Kaine entsprungen ist.
Wir haben die Große Bibliothek von einem Ende zum anderen
durchsucht, aber in keinem der Bücher scheint jemand zu
fehlen. Er benutzt wahrscheinlich einen falschen Namen, deshalb sollten wir vielleicht die Leser fragen, ob sie ihn erkennen.
Das würde uns schon sehr helfen.«
»Wir werden tun, was wir können. Wann kommen Sie wieder zum Dienst?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte ich vorsichtig. »Ich muss
meinen Ehemann zurückholen und reaktivieren. Sie wissen ja,
er wurde von der ChronoGarde genichtet.«
»Ja, ich entsinne mich. Lindane hieß er, nicht wahr?«
»Landen. Wenn er nicht wäre, wäre ich wohl in der Fiktion
geblieben.«
Wir verstummten alle für einen Moment.
»Und?«, sagte ich schließlich. »Was läuft so bei LiteraTec?«
Victor runzelte die Stirn.
»Wir haben ein Problem mit Kaine. Haben Sie davon gehört,
dass er die dänische Literatur ausrotten will?«
Ich nickte.
»Während wir uns hier unterhalten, werden die Werke von
Kierkegaard eingezogen. Sie sollen verbrannt werden. Ich habe
Braxton gesagt, wir würden geschlossen den Dienst quittieren,
wenn wir in irgendeiner Weise an diesen Maßnahmen teilnehmen müssen.«
»Oh.«
»Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, wie Sie das gesagt haben«,
sagte Bowden.
Ich verzog das Gesicht. »Ich habe gerade eingewilligt, für
Flanker zu arbeiten. Ich soll SO-14 bei der Beschlagnahme
dänischer Literatur helfen. Tut mir leid, aber ich hatte gar keine
andere Wahl.«
»Ich finde, das ist eine gute Nachricht«, erklärte Bowden
nach einer Pause. »Damit sind Sie in einer hervorragenden
Position, um das ganze zu sabotieren. Sie können diese Idioten
nach Belieben an der Nase herumführen, so dass sie garantiert
nichts finden, was sie beschlagnahmen können. Uns gegenüber
ist Flanker ziemlich misstrauisch, seit wir ihm gesagt haben, wir
könnten ihn leider nicht unterstützen, weil wir einer Bande von
Fluchthelfern auf der Spur seien, die Kierkegaards Werke nach
Wales schmuggeln wollten.«
Bowden lachte und senkte die Stimme. »Es war nicht mal
gelogen. Wir waren wirklich sehr beschäftigt. Wir mussten
Entweder-Oder und andere verbotene Bücher einsammeln, ehe
die Schläger von SO-14 kamen.«
Victor verzog das Gesicht. »Ich will das wirklich nicht hören.
Wenn Sie erwischt werden, Bowden, dann sind wir alle geliefert.«
»Manche Dinge sind es wert, dass man dafür ins Gefängnis
geht«, sagte Bowden gelassen. »Als LitAgs haben wir geschworen, das geschriebene Wort zu schützen und zu bewahren.
Davon, dass wir einem geisteskranken Machtpolitiker helfen
sollen, seine Wahnvorstellungen zu verwirklichen, war nicht die
Rede.«
»Seien Sie wenigstens vorsichtig.«
»Natürlich«, sagte Bowden. »Die Sache ist heikel genug. Wir
wissen gar nicht, ob wir die Bücher tatsächlich nach Wales
schaffen können. Die walisischen Grenzposten sind wahrscheinlich kein Problem. Wales hat sehr gute Beziehungen zu
Dänemark. Aber die englischen Grenzkontrollen sind sehr
scharf, hab ich gehört. Sie wissen wohl auch nicht zufällig, wie
wir daran vorbeikommen können, Thursday?«
»Wie viele Exemplare wollen Sie denn rausschmuggeln?«
»Ungefähr vier Lastwagenladungen.«
Ich pfiff durch die Zähne. Die meisten Dinge – wie zum Beispiel Käse – wurden nach England hereingeschmuggelt. Wie
man verbotene Bücher herausbringen sollte, wusste ich nicht.
»Ich werde mal drüber nachdenken. Was läuft denn sonst
so?«
»Das Übliche«, erwiderte Bowden. »Gefälschte Miltons, Jonsons und Swifts. Straßenbanden von Montagues und Capulets,
die sich in den Parks herumprügeln. Irgendjemand hat einen
ersten Entwurf zur Mill on the Floss mit dem Titel The Sploshing
of the Weils entdeckt. Und die Daphne-Farquitt-Spezialbuchhandlung ist einem Brand zum Opfer gefallen.«
»Versicherungsbetrug?«
»Nein, wahrscheinlich irgendwelche feinsinnigen Brandstifter, die den
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