04_Es ist was Faul
hatte.
Einen Zeitreisenden zu finden ist nicht immer ganz einfach,
aber da inzwischen genau drei Stunden seit meinem letzten
Gespräch mit ihm vergangen waren, schien es mir logisch, im
Büro der ChronoGarde, an dem ich gerade vorbeikam, nach
meinem Vater zu suchen.
Ich klopfte an die Tür, und als keine Antwort kam, trat ich
ein. Als ich das letzte Mal bei SpecOps gearbeitet hatte, hörten
wir kaum je von den leicht exzentrischen ChronoGardisten.
Wenn man in der Zeit-Branche arbeitet, verschwendet man
keine Sekunde mit Tratschen, dazu ist die Zeit viel zu kostbar.
Mein Vater sagte immer, die Zeit sei hei weitem der wertvollste
Rohstoff, den wir besäßen, und Zeitverschwendung solle als
schweres Vergehen bestraft werden. In seinen Augen war
Fernsehen oder das Lesen von Farquitt-Romanen bereits eine
Straftat.
Das Büro, das ich betreten hatte, war leer und schien schon
seit einigen Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein. Im
ersten Augenblick jedenfalls. Im nächsten Moment erschien
eine Malerkolonne und begann eifrig, die Wände zu streichen.
Eine Sekunde später waren die Maler verschwunden, und der
Raum sah wieder ziemlich vernachlässigt aus. Mal war er voll,
dann wieder leer. Vor meinen Augen durchlief das Büro seine
gesamte Geschichte, ohne je länger als eine Sekunde im gleichen
Zustand zu bleiben. Die ChronoGardisten waren nur flüchtige
Schatten, die immer nur für Sekundenbruchteile sichtbar wurden, während sie von der Vergangenheit in die Zukunft und
wieder zurückhuschten. Wäre ich ein ausgebildetes Mitglied der
ChronoGarde gewesen, hätte ich vielleicht gewusst, was das
sollte, aber so erschien es mir reichlich verwirrend.
Das einzige Möbelstück, das stillstand in diesem Wirbel, war
ein kleiner Tisch mit einem altmodischen Telefon. Ich trat
näher und nahm den Hörer ab.
»Hallo?«
»Hallo«, sagte eine Tonbandansage. »Sie haben die Swindo-ner ChronoGarde erreicht. Wenn Sie das Opfer einer Zeitbeugung geworden sind, wählen Sie bitte die Eins. Wenn Sie eine
kalendarische Anomalie melden wollen, wählen Sie bitte die
Zwei. Wenn Sie das Gefühl haben, in ein Zeitverbrechen verwickelt zu sein …«
Der Apparat bot mir noch einige weitere Alternativen, aber
keine davon schien geeignet, meinen Vater zu kontaktieren. Am
Ende der Aufzählung folgte schließlich die Möglichkeit, mit
einem realen Beamten zu sprechen, und so wählte ich diese
Nummer. Sofort hörten die verwischten Bewegungen auf, und
die Dinge fügten sich zu einem Büro zusammen, das allerdings
eher aus den sechziger Jahren stammte als aus der Gegenwart.
Ein hochgewachsener und auffällig gut aussehender ChronoGardist saß hinter einem Schreibtisch und sah mich an. Die
Sternchen auf den Schulterstücken seiner blauen Uniform
zeigten den Rang eines Captains. Ganz wie er selbst prophezeit
hatte, war es mein Vater, drei Stunden später und zwanzig Jahre
jünger. Zuerst schien er mich nicht zu erkennen.
»Guten Tag«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin es, Thursday.«
»Thursday?«, wiederholte er und riss die Augen auf. »Meine
Tochter Thursday?«
Ich nickte, und er stand auf, um mich genauer zu mustern.
»Wie schön, dich mal wieder zu sehen! Wie lange ist das jetzt
her? Sechs Jahrhunderte etwa?«
»Nein, nur zwei Jahre«, sagte ich. Um die Dinge nicht noch
mehr durcheinander zu bringen, verzichtete ich darauf, unser
Gespräch von heute Morgen zu erwähnen. »Aber wieso arbeitest du für die ChronoGarde? Ich dachte, du wärst abtrünnig
und vogelfrei?«
»Ach«, sagte er und winkte mir, näher zu kommen. Dann
senkte er die Stimme und sagte: »Das Management hat gewechselt, und die neuen Leute haben gesagt, sie würden meine
Beschwerden sorgfältig prüfen, wenn ich bereit wäre, beim
neuen ZeitBewahrungsKorps mitzuarbeiten. Ich bin degradiert
worden, und ehe nicht der ganze Papierkram erledigt ist, kann
ich auch nicht re-aktualisiert werden, aber ansonsten geht es
mir ausgezeichnet. Ist dein Ehemann noch genichtet?«
»Ich fürchte, ja. Siehst du eine Möglichkeit …?«
Er verzog das Gesicht. »Ich würde dir schrecklich gern helfen, mein Schatz. Aber ich muss wirklich sehr vorsichtig sein in
den nächsten Jahrzehnten. Gefällt dir das Büro?«
Ich betrachtete die Sechziger-Jahre-Möbel. »Ein bisschen
klein, oder?«
»Oh, ja.« Mein Vater grinste, er war offenbar gut aufgelegt.
»Dabei arbeiten hier siebenhundert Beamte. Da wir offensichtlich nicht
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