04_Es ist was Faul
Leuten ihre Liebesromane nicht gönnen.«
Farquitt hatte ihre erste Schnulze 1932 geschrieben und seitdem jedes Jahr einen weiteren Nackenbeißer veröffentlicht, der
im wesentlichen dasselbe enthielt wie der vorhergehende. Sie
hatte eine riesige Fan-Gemeinde, aber eine kleine, radikale
Minderheit hasste sie inständig.
»Leider werden auch immer mehr leistungssteigernde Drogen gebraucht«, sagte Victor. »Der Sieger beim letztjährigen
Schnellschreib-Wettbewerb musste nachträglich disqualifiziert
werden, weil man Cartlandromin in seiner Urinprobe fand.
Und vor einer Woche wäre Handley Paige beinahe mit einem
zweijährigen Schreibverbot belegt worden, weil er nicht zur
Dopingprobe erschien.«
»Manchmal frage ich mich, ob wir nicht zu viele Regeln aufgestellt haben«, murmelte Victor. Wir nickten nachdenklich.
Schließlich brach Bowden das Schweigen. Er zog ein Blatt
Papier heraus, das in einem Plastikhülle steckte. »Was halten Sie
davon?«, fragte er mich.
Ich las den Text, ohne ihn zu verstehen. Dennoch kam mir
der Stil bekannt vor. Es war ein Shakespeare-Sonett, und zwar
ein ziemlich gutes.
»Shakespeare«, sagte ich. »Aber nicht elisabethanisch. Das
Wort Schnuckiputz passt nicht so richtig. Was hat denn der
Versmaßanalysator gesagt?«
»Einundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass Will der
Verfasser ist«, sagte Victor.
»Wo kommt es denn her?«
»Wir haben es bei der Leiche eines Obdachlosen namens
Shaxtper gefunden, der Dienstagnacht umgebracht worden ist.
Wir glauben, dass jemand Shakespeares geklont hat.«
»Shakespeares klonen? Wer macht denn so was? Seid ihr sicher? Könnte es nicht einfach eine zeitweilige Entführung der
ChronoGarde sein oder so was?«
»Nein. Die Blutuntersuchungen haben gezeigt, dass sie alle
gegen Mumps, Röteln usw. geimpft sind. Das hat man im 16.
Jahrhundert noch nicht gemacht.«
»Moment mal! Soll das heißen, dass ihr noch weitere Shakespeares gefunden habt?«
»Drei«, sagte Bowden. »Es war eine kleine Epidemie.«
»Sehen Sie, Thursday, wir brauchen Sie«, sagte Victor.
»Wann kommen Sie wieder zum Dienst?«
Ich zögerte. »Eine Woche brauche ich mindestens, um mein
Leben auf die Reihe zu bringen. Ich muss einiges regeln, Sir.«
»Was ist denn wichtiger als Montague-und CapuletStraßenbanden und geklonte Shakespeares, als gedopte Autoren
und Bücherschmuggel?«
»Ganz einfach: Ich brauche eine Tagesmutter.«
»Du meine Güte!«, sagte Victor. »Herzlichen Glückwunsch.
Sie müssen den kleinen Schreihals mal mitbringen. Stimmt's,
Bowden?«
»Unbedingt.«
»Ein Problem ist das schon«, murmelte Victor. »Sie können
ja nicht den ganzen Tag rumflitzen und dann pünktlich um fünf
nach Hause gehen, um den Kleinen zu füttern. Vielleicht müssen wir doch ohne Sie auskommen.«
»Kommt gar nicht in Frage«, erklärte ich so entschieden, dass
sie beide erschraken. »Ich komme wieder zum Dienst, das steht
fest. Ich muss nur ein paar Dinge klären. Hat SpecOps endlich
eine Kinderkrippe?«
»Nein.«
»Ah. Dann werd ich mir wohl was einfallen lassen müssen.
Wenn ich meinen Ehemann zurückkriegen würde, wäre es kein
Problem. Ich rufe Sie morgen an.«
Es entstand eine Pause.
Dann sagte Victor feierlich: »Ich glaube, das müssen wir respektieren. Wir freuen uns, dass Sie wieder da sind. Nicht wahr,
Bowden?«
»Ja«, sagte mein ehemaliger Partner. »Ich bin sehr froh.«
8.
Die Zeit wartet auf niemanden
SpecOps-12 ist die ChronoGarde, die im Auftrag der Regierung für den korrekten Ablauf der Zeit sorgt. Vor allem
muss sie die Ordnung der Geschichtlichen Ereignisse (AGE)
gewährleisten und durch regelmäßige Patrouillen ungenehmigte Veränderungen des Zeitstroms unmöglich machen. Ihre Leistungen werden praktisch nie wahrgenommen, denn die Vergangenheit erscheint jederzeit so, als wäre
sie schon immer so gewesen. Dabei kommt es praktisch bei
jedem Einsatz vor, dass sich die Geschichte erheblich verändert, ehe sie in die AGE zurückgeführt werden kann. Fast
jede Woche kommt es zu Katastrophen, die den gesamten
Erdball gefährden, sie werden aber von geschulten Beamten
der ChronoGarde sofort umgeleitet und damit neutralisiert.
Die Bewohner des Planeten merken meist gar nichts davon
– und das ist auch besser so.
COLONEL NEXT, QT CG (nonexst.),
Zeitauf, zeitab (unveröffentl. Ms.)
Es gab noch mehr zu erledigen: Ich musste herausfinden, was
mir mein Vater bei unserem vorletzten Treffen erzählt
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