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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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fest um sich und ging auf die Stimme zu. Sie wäre beinahe
in eine kleine Gestalt hineingerannt. Sie bückte sich hinunter und versuchte,
das Kind zu sehen, aber in der Dunkelheit - denn es war mittlerweile
Nacht geworden - und dem dichten, alles verhüllenden Nebel konnte sie nur
einen undeutlichen kleinen Umriss erkennen.
    »Wann
hast du deine Mutter zuletzt gesehen?« fragte sie, »Hör auf zu weinen. Ich
finde sie bestimmt.«
    »Wir
sind mit Mama zur Oper gefahren«, antwortete das Kind. »Wir sollten nicht zur
Vorführung bleiben. Unser Kindermädchen sollte uns wieder heimbringen, das
heißt mich und meine Schwester Louise. Ich bin zum Spaß von der Kutsche
weggelaufen. Ich habe Mama rufen hören, dass das Theater geschlossen ist und
ich zurückkommen soll. Da bin ich noch ein bisschen weiter weggelaufen, nur
weil es so lustig war. Ich - ich habe mich ver- verlaufen.«
    »Nicht
wieder weinen«, sagte Esther. »Komm! Gib mir deine Hand. Sie tastete nach der
Hand des Kindes und umschloss sie fest.
    »Jane!«,
hörte man von links eine undeutliche Stimme. Und gleich danach rief Miß Fipps
von rechts: »Miß Jones.«
    »Ich
komme sofort, Miß Fipps«, rief Esther und fragte das Kind: »Heißt du Jane?«
    »Ja.«
    »Dann
höre ich vermutlich deine Mutter. Komm mit.« Und das Kind an der Hand, ging
Esther nach links.
    »Jane!«
erklang die Stimme, viel näher und deutlicher. »Sie ist bei mir in Sicherheit«,
rief Esther. »Rufen Sie weiter, damit ich Sie finde.«
    Die Stimme
rief gehorsam weiter, aber Esther wäre fast noch in eine Kutsche gelaufen,
bevor sie merkte, dass sie endlich die Mutter des Kindes gefunden hatte.
    Obwohl
die Kutschenlampen brannten, bildeten sie nur zwei gelbe Flecken, die den Nebel
nicht durchdringen konnten. Esther übergab das Kind, das sie nicht hatte sehen
können, einer Mutter, die sie ebensowenig sah, nahm höflich die überschwänglichen
Dankesworte entgegen und ging wieder in den Nebel hinein, um ihre eigene
Kutsche zu suchen. Sie musste nur den Weg, den sie gekommen war, wieder
zurückgehen.
    Nachdem
sie eine Weile gegangen war, Schritt für Schritt, stellte sie fest, dass sie
sich vollkommen verlaufen hatte - verlaufen in einem der schlimmen Nebel,
für die London berühmt war, in dem dunkle Gestalten aus dicken schwarzen Wolken
auftauchten und wieder verschwanden wie Hirngespinste.
    »Miß
Fipps!« rief sie laut und durchdringend.
    »Miß
Fipps!« höhnte eine rauhe männliche Stimme.
    Immer
wieder rufend und von gespenstischen Stimmen gefoltert, die sie verhöhnten und
nachäfften, irrte Esther weiter im Nebel herum und wurde immer ängstlicher. Sie
trug eine besonders schöne Kette aus Gold mit Smaragden, den ersten teuren
Schmuck, den sie sich selbst geschenkt hatte. Und sie war reich gekleidet.
    Sie
begann zu sich selbst zu sprechen, rief sich zur Ordnung und ermahnte sich,
nicht in Panik zu geraten. Eine Hand griff nach ihrem Umhang, und mit einem
kleinen Schreckensschrei schlug sie sie weg. Dann tauchte eine andere Hand aus
dem Nebel auf, und wieder wehrte sie sie ab. Sie hatte das Gefühl, als seien
die Hände Flammen, die nach ihren Kleidern leckten.
    Schließlich
warf Esther, die jetzt mehr Angst hatte als je zuvor in ihrem ganzen Leben, den
Kopf zurück und schrie: »Hilfe! Hilfe! Ich werde überfallen! Hilfe!«
    Stille.
    Absolute
Stille umgab sie. Schwärze. Doch bedeutete die Stille nur eine kurze
Unterbrechung. Ihr war, als ob ihre unsichtbaren Folterer den Atem anhielten
und warteten, ob von der Wache eine Antwort kam.
    Und
dann hörte sie, schwach und weit entfernt, eine Antwort. »Rufen Sie weiter. Ich
komme.«
    Esther
flehte den Himmel an, dass sich hinter der Stimme ein Retter und nicht ein
geschickter Dieb verbarg, und rief, »Hier. Ich bin hier. Hier drüben.«
    »Rufen
Sie weiter«, ertönte die Stimme, die jetzt näher kam. »Und bewegen Sie sich
nicht.«
    »Hilfe.
Helfen Sie mir! Hier. Hier bin ich!« schrie Esther.
    »Da
sind Sie ja, Gott sei Dank«, ertönte eine Stimme plötzlich an ihrem Ohr, und
zwei starke Arme umschlangen sie.
    »Nein!«
schrie Esther, die nun fürchtete, vergewaltigt zu werden. »Hilfe!«
    »Meine
liebe Miß Jones, ich bin es, Carlton. Sie sind sicher.«
    »Carlton?«
sagte Esther schwach. »0 Lord Guy, sind Sie es wirklich?«
    »Ich
bin es wirklich.« Er hielt sie tröstend in den Armen, und Esther, die sich
schwach und hilflos wie ein Kind fühlte, legte den Kopf an seine Schulter und
begann zu weinen.
    »Sie
armer kleiner

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