04 - Herzenspoker
zu machen, um ihn zu durchsuchen, wenn er das Bewusstsein
verloren hat.«
»Warten
Sie ein bisschen«, sagte Alice gelassen. »Er ist auf sein Zimmer gegangen, und
so wie der aussah, bleibt er nicht lange wach. Wie still es ist! Man könnte
denken, ganz London sei tot. Nicht einmal eine Kutsche fährt vorbei. Ich möchte
wissen, ob Mylord Miß Jones gefunden hat.«
»Sie haben sich
recht weit vom Theater entfernt, Miß Jones«, sagte Lord Guy in diesem
Augenblick, während er neben ihr herging und sie fest untergehakt hielt.
»Ich muss
mich für mein Benehmen entschuldigen«, erwiderte Esther förmlich. »Es ist sonst
nicht meine Art, Fremde zu umarmen. Ich war außer mir vor Angst.«
»Natürlich«,
sagte er besänftigend. »Aber wir sind einander doch jetzt nicht mehr fremd. Wir
sind sogar verlobt.«
»Nur
eine Woche lang«, antwortete Esther bestimmt.
»Da Sie
vorhaben, ihr Debüt in der Gesellschaft zu geben, wird man Sie ohne Zweifel
fragen, warum Sie mich unpassend fanden. Welche Begründung werden Sie dafür
geben?«
»Ich
brauche keine Begründung zu geben«, sagte Esther. »Die Welt wird einfach
denken, dass ich wieder zur Vernunft gekommen bin jedermann weiße dass Sie ein
Wüstling sind.«
»Im
Gegenteil. Ich habe ein einziges ausschweifendes Fest gefeiert ...«
»Aber
was für eines! Es hätte den Ruf eines jeden ruiniert.«
»Nicht
eines Angehörigen der Aristokratie«, entgegnete Lord Guy. »Die Gesellschaft
wird mir alles verzeihen, vor allem, wenn man sieht, wie sehr Sie mich
gebessert haben.«
»Wüstlinge
bessern sich nie«, sagte Esther.
»Woher
wissen Sie so genau über diese Sorte von Mensch Bescheid?«
»Mein
Vater machte meiner Mutter das Leben zur Hölle.«
»Ah,
aber vielleicht wurde er erst nach der Hochzeit ein Wüstling. Und ich, ich bin
ein Wüstling gewesen. Das ist ein grundlegender Unterschied. Ich bin
entschlossen, Sie zu heiraten, Miß Jones. Es kann sein, dass ich mich in diesem
Punkt nicht klar genug ausgedrückt habe.«
»Warum?«
»Weil
ich, wie alle von meiner Sorte, kommerziell denke. Ich glaube, Sie haben die
seltene Begabung, an der Börse Geld zu machen. Ich würde von einer solchen
Begabung profitieren.«
»Etwas
anderes ist von Ihnen auch nicht zu erwarten«, seufzte, Esther. »Sie können von
meinen Diensten Gebrauch machen, ohne dass Sie mich gleich heiraten müssen.«
»Natürlich
sind da auch noch andere Dinge.«
»Zum
Beispiel?« fragte Esther trocken.
»Ihr
Haar leuchtet wie Feuer, Ihre Augen sind die Augen einer Hexe, Ihre Figur
erregt meine Sinne, und es reizt mich, dass Sie so merkwürdig unsentimental
sind. Außerdem liebe ich Sie. Sol ich weitermachen?«
»Nein.
Es reicht. Ich glaube Ihnen kein Wort«, rief Esther zutiefst schockiert, weil
ihr verräterischer Körper auf seine Worte reagierte, als ob er sie geliebkost
hätte. »Wohin gehen wir, Mylord? Wir scheinen ziellos umherzuwandern.«
»Ich
habe nicht die leiseste Ahnung, wo wir sind«, sagte er leichthin.
»Oh,
ich bin Ihnen blindlings gefolgt. Die arme Miß Fipps. Sie muss außer sich vor
Sorge sein.«
»Keineswegs.
Ich habe sie und Ihre Diener vor dem Theater getroffen. Ich habe ihr gesagt,
sie solle ganz unbesorgt sein, da ich sicher war, dass ich Sie finden würde.
Ich habe ihr aufgetragen, eine halbe Stunde zu warten und dann zum Berkeley
Square zurückzufahren. Sie ist nicht so stark, wie sie erscheint.«
»Sie
kennen sie«, sagte Esther. »Sie haben sie schon vorher gekannt. Ich durchschaue
jetzt alles. Der hinterlistige Rainbird! Und ich war ihm so dankbar, dass er
mir innerhalb so kurzer Zeit eine Gesellschafterin beschafft hat. Sie ist eine
von Ihren armen Verwandten!«
»Sie
ist meine Cousine.«
»Und
Sie haben sie heimlich bei mir eingeschmuggelt!«
»Aber
nicht doch, meine vortreffliche und vernünftige Miß Jones. Ich wollte nur
nicht, dass Sie sich mit irgendeiner dümmlichen Frau umgeben müssen. Ihr Wohl
liegt mir am Herzen.«
»Außerdem
hat Ihre Fürsorge Sie davor bewahrt, in Ihrem eigenen Haushalt eine arme
Verwandte zu haben.«
»Das
ist wahr.«
»Miß
Fipps kann noch heute abend gehen.«
»Warum?
Sie scheint ihre Arbeit ganz ausgezeichnet zu machen. Und wollen Sie etwa
leugnen, dass sie Sie ins Herz geschlossen hat?«
»Wie
kann ich das beurteilen?« sagte Esther unglücklich. »Sie haben hinter meinem
Rücken Intrigen gesponnen. Ich weiß auch warum! Sie haben kein Geld.«
Am
Gegenteil, ich bin sehr reich.«
»Warum
lassen Sie mich nicht in
Weitere Kostenlose Bücher