04 - komplett
liebkosen
Die am rötesten glüht ...
Das letzte Wort, erst falsch geschrieben und dann verbessert, wies den Dichter in Orthografie als nicht ganz sattelfest aus. Offenbar hatte er sich nicht die Mühe gemacht, die Zeilen neu abzuschreiben, unter den Vers aber noch einen Nachsatz gekritzelt: ‚Süße Eleanor, ich lebe einzig der Hoffnung, Sie in Bälde die Meine nennen zu dürfen‘, worunter Paulets schnörkelige Unterschrift prangte.
Die Enttäuschung versetzte ihr einen herben Stich, der mehr schmerzte als Sir Charles’ dumme und beleidigende Beharrlichkeit. Während sie sich beschämt fragte, wie sie von ihrem Ehemann nur hatte Blumen erwarten können, ärgerte sie sich gleichzeitig über ihre eigene Torheit.
Die Rosen dufteten nicht, und Eleanor war versucht, sie wegzuwerfen, doch wandte sie sich zunächst den prangenden Lilien zu. Auch zwischen deren dicken Stängeln entdeckte sie eine Karte, die sie aufklappte und die wenigen in ihr unbekannter Handschrift daraufgesetzten Worte las:
Wir sehen uns auf dem Ball
Entsetzt knüllte sie das Papier an ihrer Brust zusammen, denn sie ahnte, dass die Karte samt der protzigen Blumen nur von einem bestimmten stadtbekannten Lebemann stammen konnte, der ihr seit geraumer Weile nachstellte.
„Oh, Mylady!“, ertönte Lucys Stimme direkt hinter ihr, sodass sie wie ertappt zusammenschreckte. Ihre Zofe beäugte die Lilien, wobei sie zu zweifeln schien, ob diese ihre Bewunderung verdienten oder nicht. „Wie u...umwerfend!“, stotterte sie.
„Sind die von Seiner Lordschaft?“
„Mitnichten!“, fuhr Eleanor sie aus Schreck und Enttäuschung an. „Eheleute schicken einander keine Blumen!“
Lucys Augen wurden immer größer. „So sind die Sträuße von jemand anders, Madam?“, fragte sie. „Die Lilien wirken etwas gewöhnlich ...“
„Ja, überaus“, erboste sich Eleanor. „Ich frage mich, welches Mannsbild mich solcher Geschmacklosigkeit für würdig hält!“
„Da wäre Lord George Darke“, versuchte Lucy ihrer Herrin auf die Sprünge zu helfen,
„der Madam doch schon des Öfteren belästigte und überall als schrecklicher Draufgänger gilt ...“
„Willst du wohl still sein, du dumme Gans!“, unterbrach Eleanor sie aufgebracht.
„Nimm die fürchterlichen Blumen, und stell sie in die hinterste Ecke! Oder gleich in den Keller damit ...“
Sie verstummte, denn die Haustür wurde geöffnet, und Kit trat ein. Draußen fiel ein leichter Regen, sodass sein Haar von winzigen Tröpfchen übersät war, die kristallhell glitzerten. Er streifte seine Handschuhe ab und reichte sie Carrick zusammen mit seinem Mantel.
Dann trat er zu seiner Gemahlin und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Eleanor wich leicht zurück, denn auch wenn es sich nur um einen Kuss der Form halber handelte, fürchtete sie doch um ihren inneren Frieden.
„Guten Abend, meine Liebe“, begrüßte Kit sie in leichtem Ton, bevor sein Blick auf die Lilien fiel. „Du lieber Himmel, wie scheußlich! Man könnte von Ihren Bewunderern wohl mehr Zartgefühl erwarten.“
Obwohl Eleanor ihrem Gatten von Herzen recht geben musste, ärgerte es sie doch sehr, dass er Kritik an den Blumen anderer äußerte, ohne ihr selbst welche zu schicken. Deswegen wies sie ihre Zofe an, die Sträuße in ihr Zimmer zu bringen.
Diese knickste verwirrt.
„Aber Madam, Sie sagten doch, ich soll sie in den Keller tragen ...“
Ein amüsierter Zug stahl sich in Kits blaue Augen, was Eleanor kolossal verdross.
Scharf sog sie die Luft ein. „Tu auf der Stelle, was man dir sagt, Lucy!“, befahl sie mühsam beherrscht. „Dann hilf mir, mich für das Dinner umzuziehen!“
„Sie werden sicher die ganze Nacht niesen müssen, wenn Sie die Blumen in Ihrem Schlafzimmer behalten; der Blütenpollen hat es in sich!“, stellte Kit fest und ließ seinen aufmerksamen Blick auf dem zerknüllten Zettel ruhen, den seine Gemahlin noch in den Händen hielt. „Wer ist denn dieser Verehrer, der sicher für gewöhnlich besseren Geschmack beweist?“, fragte er freundlich.
Verlegen umklammerte Eleanor die Karte. Die Situation war delikat.
„Ich ... ich weiß nicht“, stammelte sie. „Es steht kein Name darauf.“
Ungläubig hob Kit eine Augenbraue.
Lucy knickste erneut. „Madam, ich dachte doch, es sei Lord George ...“
„Wirst du wohl die Blumen forttragen!“, wies Eleanor sie mit schriller Stimme an.
„Augenblicklich!“
Während die Zofe eiligst gehorchte, brach Kit in Gelächter aus. „Wenn Sie
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