04 - komplett
eingerichtet, dass Männer in den Club gehen und ihre Frauen zu Hause sitzen“, bemerkte Kit mit undurchdringlicher Miene. „Sicher erwarteten Sie nichts Aufregenderes vom Eheleben? Ihre Zeit als Debütantin ist vorüber und eine Dinnerparty oder ein Ballbesuch von Zeit zu Zeit ausreichend für verheiratete Damen.“
„Das mag stimmen“, erwiderte Eleanor, der die Zeit ihrer Einführung in die Gesellschaft in der Tat lang vergangen schien, „doch werde ich immerhin manchmal Besuche machen ...“
„Am Abend keinesfalls unbegleitet“, unterbrach ihr Gatte sie in scharfem Ton. „Dies würde jeder berüchtigte Junggeselle in der Stadt als Ermutigung auffassen, sich Ihnen nähern zu dürfen – wie es schon geschehen ist!“ Er stand auf, um sich erneut das Glas zu füllen, worauf Eleanor sich in dem Versuch, verstohlen den Zettel aufzuheben, bückte. Allerdings schnellte sie unverrichteter Dinge in die Höhe, als Kit sich ihr wieder zuwandte.
„Nein, das steht wirklich außer Frage“, setzte er seine Rede fort. „Sie können ja handarbeiten oder lesen; sicher wird es Ihnen nicht schaden, sich zur Abwechslung den Anstrich von Tugend zu geben.“
Eleanor war empört. Trotz allen Ärgers, der zwischen ihnen bestand, hatte sie Kit nie für dünkelhaft gehalten; nun aber schien er sich vor ihren Augen plötzlich in einen gestrengen Ehemann zu verwandeln!
„Sicher kann es nicht um einen Anstrich von Tugend gehen ...“, erwiderte sie in hitzigem Ton, wurde aber von ihrem Gemahl mit gebieterisch erhobener Hand unterbrochen.
„Meine Liebe“, sprach er gönnerhaft, „alle Welt weiß Bescheid über Ihr zweifelhaftes Betragen, weshalb ich Ihnen nahelege, sich um einen besseren Ruf zu bemühen.
Darke, Paulet und Konsorten sollen lernen, ihre unwillkommenen Blumensträuße anderswohin zu schicken und nicht in dieses Haus!“
Kaum vermochte Eleanor, ihre Wut zu zügeln, denn auch wenn Wahres in Kits Worten steckte, konnte sie doch seine herablassende Haltung nicht ertragen.
„Ich muss schon sagen, Mylord, es war mir nicht bekannt, dass Sie ein solcher Miesepeter sind“, fuhr sie ihn entrüstet an. „Ich darf nicht ausgehen und mich unterhalten, sondern muss mich mit Stickerei beschäftigen? Dann sollen Sie wissen, dass ich binnen Kurzem an Eintönigkeit zugrunde gehen werde!“
„Nicht, wenn Sie sich ausgiebig mit den Regeln der Schicklichkeit befassen, denke ich“, gab er zurück.
Eleanor sprang auf. „Ich habe genug gehört!“, rief sie aufgebracht. „War mein Betragen auch nicht immer einwandfrei, bin ich doch wenigstens nicht überheblich.
Erlauben Sie mir die Feststellung, Mylord, dass es äußerst unerfreulich ist, mit Ihnen zu leben! Gute Nacht!“
„Auch Ihnen eine gute Nacht, meine Liebe“, murmelte Kit, als seine Gattin an ihm vorbei aus dem Zimmer eilte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er das Zettelchen aufhob, einen Blick daraufwarf und es in seine Westentasche steckte.
Nach wenigen Minuten hörte er ein Geräusch in der Halle, ging leise zur Tür, öffnete diese schnell und hielt seine Gattin gerade noch am Arm fest, bevor sie sich davonmachen konnte.
„Was ist mit Ihnen, Eleanor?“, fragte er liebenswürdig. „Haben Sie vorhin etwas vergessen?“
Sie konnte nicht umhin, einen schnellen Blick auf die Stelle zu werfen, wo sie das Papier zurückgelassen hatte.
„Ja ... das heißt nein ...“, stammelte sie mit vermeintlich unschuldiger Miene, über die Kit am liebsten laut gelacht hätte.
„War es vielleicht das hier?“, hakte er nach und zog das Corpus delicti aus seiner Westentasche, worauf Eleanor die Augen aufriss und rot anlief.
„Wussten Sie die ganze Zeit, dass ich dies vor Ihnen zu verbergen suchte?“, fragte sie entsetzt.
„Ich merkte gleich, dass Sie mir etwas verheimlichten, wenn ich auch nicht wusste, was es war“, erklärte er erheitert. „Zum Betrügen scheint Ihnen jede Begabung zu fehlen, meine Liebe!“
Diese erbleichte. „Haben Sie mich etwa absichtlich in Rage versetzt, damit ich auf das Papier zu achten vergaß?“, forschte sie weiter.
„Ganz richtig!“, lautete die Antwort.
„Das war sehr grausam von Ihnen, Kit“, beklagte sie sich. „Als ich wegen der ... Feder und der Tinte hereinkam, habe ich das Zettelchen auf dem Teppich gefunden und bekenne, dass ich neugierig wurde ...“
„Beabsichtigen Sie, mir weiterhin Märchen aufzutischen?“, fragte Kit, klang jedoch recht vergnügt dabei. „Warum geben Sie nicht zu, dass
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