04 - komplett
für sie?“
„Wohl kaum!“, beteuerte er. „In meinem Herzen war nur Platz für eine einzige heimliche Liebe.“ Hierauf verfielen beide in ein trauliches Schweigen, währenddessen sie einen langen Blick tauschten und Eleanor völlig vergaß, wo sie sich befand, hatte sie doch einzig Augen für Kits Lächeln und sein helles Haar, das in der Sonne schimmerte. Von seinem frischen Duft eingehüllt, genoss sie es, ihre Hand auf seinem starken Arm ruhen zu lassen.
„Eleanor, Kit! Wie ich mich freue, euch zu sehen! Ich hatte sowieso vor, euch bald einmal zu besuchen!“
Erschreckt fuhr Eleanor zusammen, blinzelte und zwang sich, ihren Blick von Kit abzuwenden, der, gleichfalls aus dem innigen Miteinander gerissen, überrascht die Brauen hob.
„Beth! Marcus! Wie schön ...“, setzte Eleanor an, verstummte aber verwirrt, denn ihr Bruder bedachte sie selbst zwar mit einem flüchtigen Lächeln, ignorierte jedoch Kits ausgestreckte Hand.
Fragend wandte er sich an seine Gattin: „Sind Sie dann so weit, meine Liebe?“
Eleanor stand wie vom Donner gerührt. Sein unhöfliches Benehmen gegenüber ihrem Gemahl entrüstete sie ebenso, als hätte er sie selbst brüskiert. Sie spürte, wie Kit sich, eben noch so nah, in verhaltener Wut kaum merklich abkehrte.
Es war Beth, die die Situation rettete, während die anderen sich reglos wie die Wachsfiguren gaben. Sie küsste Kit auf die Wange und wandte sich dann Eleanor zu, als wäre nichts geschehen.
„Ich gestehe, ich hoffte, dich von Frau zu Frau sprechen zu können, Liebes! Wolltet ihr auch gerade nach Hause fahren? Ich muss sagen, das viele Herumlaufen hat mich über Gebühr erschöpft!“
„Selbstverständlich“, beeilte Eleanor sich, ihr zu antworten. „Ich kann dich gern begleiten! Kit, mein Lieber ...“, hiermit legte sie diesem sanft ihre Hand auf den Arm,
„es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich bei Beth mitfahre? Sie hatten doch noch beim Büchsenmacher zu tun ...“
„Natürlich“, stimmte er zu und bedeckte für einen Moment ihre Hand warm mit der seinen, „wir sehen uns dann zu Hause.“ Daraufhin fiel Eleanor ein Stein vom Herzen.
Freundlich verabschiedete Kit sich von den beiden Frauen, wobei er Marcus wie Luft behandelte, und schlenderte davon.
Umgehend wandte Beth sich an ihren Gemahl. „Marcus ...“, begann sie entrüstet.
Doch der machte nach einer angedeuteten Verbeugung prompt auf den Fersen kehrt und strebte ebenfalls von dannen – in die entgegengesetzte Richtung.
„Männer!“, stieß Beth wütend hervor. „Wie kann man sich nur so kindisch aufführen!“
„Dazu müssen wir uns jetzt allein um eine Droschke bemühen“, bemerkte Eleanor mit düsterer Miene. „Wenigstens einer von beiden hätte die Ritterlichkeit besitzen können, uns eine zu rufen, bevor er davonstürzt!“
„Das ist wieder einmal typisch!“, ereiferte Beth sich eine halbe Stunde später, während sie und Eleanor im Salon des Hauses in der Montague Street zusammen den Tee nahmen. „Du weißt so gut wie ich, dass Marcus manchmal schrecklich verbohrt sein kann. Der Himmel weiß, dass ich ihn liebe wie verrückt, manchmal aber ...“ Sie warf ein Stückchen Zucker in ihre Tasse und rührte heftig um. „Jedenfalls habe ich ein Wörtchen mit ihm zu reden!“
Eleanor war dabei nicht ganz wohl. In Sachen Starrköpfigkeit hätte auch Beth durchaus Preise gewinnen können, sodass eine Konfrontation zwischen den Eheleuten eher einen spektakulären Verlauf zu nehmen versprach, als vernünftige Resultate zu zeitigen.
„Ihr solltet unseretwegen nicht streiten“, sagte sie vorsichtig. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass mein Bruder so viel Missbilligung ...“
„Das Recht, zu billigen oder abzulehnen, steht ihm nicht zu“, unterbrach Beth sie in geharnischtem Ton und griff nach einem Stück Kuchen. „Es ist allein eine Sache zwischen dir und Kit. Oh, wie bin ich böse auf Marcus! Und hungrig! Seit ich schwanger bin, habe ich immer Hunger! Doch wie geht es dir inzwischen, meine Liebe?“ Aufmerksam betrachtete sie Eleanor mit ihren hellen Augen. „Ich habe mich oft gefragt, wie dir zumute ist, war mir aber unsicher, ob du mich überhaupt sehen magst.“
„Weil Kit dein Cousin ist?“, fragte Eleanor und lachte kläglich auf. „Oh, Beth, wie ist doch alles kompliziert!“
Beruhigend tätschelte Beth ihr die Hand. „Zwischen uns kann alles unverändert bleiben“, verkündete sie fröhlich. „Ich würde mich ehrlich freuen, wenn du mir dein Vertrauen
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