04 - komplett
hatte, wie wunderhübsch sie war. Tatsächlich fand auch Eleanor, dass sie nie besser ausgesehen hatte als in ihrer einfach geschnittenen cremefarbenen Seidenrobe mit einem Überkleid aus goldfarbenem Tüll, das ihren Farben schmeichelte und ihre schlanke Silhouette hervorragend zur Geltung brachte.
Diese Garderobe hatte sie aus zwei Gründen gewählt. Zum einen fürchtete sie sich davor, zum ersten Mal nach der Rückkehr ihres Gatten an einem Gesellschaftsereignis teilzunehmen, und wollte zumindest ihrer guten Erscheinung völlig sicher sein. Und zum anderen ...
Eleanor ließ ihren Fächer zuschnappen und verzog grimmig das Gesicht, denn zum anderen hatte sie Kit gefallen wollen und fühlte sich nun angewidert von ihrer eigenen Widersprüchlichkeit.
„Ich bleibe zu Hause“, rief sie tapfer in den Raum hinein, während Lucy seelenruhig herumliegende Kleider in den Schrank hängte.
„Ich dachte mir schon, dass Sie heute nervös werden, Madam“, sagte sie mitfühlend.
„Gleich wird es Ihnen besser gehen, wenn Seine Lordschaft kommt und Ihnen zur Seite steht.“
„Beileibe nicht“, fauchte Eleanor gereizt. „Falls überhaupt möglich, wird es mir noch schlechter gehen! Allein bei dem Gedanken, mit Lord Mostyn diesen Ball zu besuchen, wird mir übel ...“
„Darf ich eintreten?“
Als sie die Stimme ihres Gemahls vernahm, biss Eleanor sich auf die Zunge. Kit stand bereits an der Tür zum Korridor; der Zugang zu seinen Zimmern war noch immer fest mit einem Riegel gesichert. Verärgert und peinlich berührt, kam sie auf die Füße.
Hatte Kit ihre Worte verstanden? Seine Miene verriet nichts. Wie sehr sie sich schämte!
„Ich habe etwas für Sie“, fuhr er fort. Ein flaches Päckchen in der Hand, trat er ins Zimmer und nickte Lucy zu, die daraufhin, ein vielsagendes Lächeln im Gesicht, aus dem Zimmer trippelte.
„Was ist darin?“, fragte Eleanor ohne Umschweife, sehr wohl wissend, wie undankbar sie klang. Kit schien das jedoch nicht zu stören.
„Es ist eine Überraschung“, antwortete er. „Drehen Sie sich zum Spiegel um, und machen Sie die Augen zu.“
Sie war drauf und dran, abzulehnen, doch etwas in seiner Miene bewog sie, seinem Wunsch zu entsprechen. Also schloss sie die Augen und spürte gleich darauf seine warmen Finger an ihrem Nacken, wobei die kurze Berührung sich wohlig wie sanfte Wellen über ihre Haut ausbreitete, was Eleanor verwirrte. Erleichtert öffnete sie die Augen, sobald Kit es ihr erlaubte.
Aus dem Spiegel blickte sie sich selbst entgegen, eine schöne Frau, die nun ein zierliches in Weißgold gearbeitetes Collier mit hängenden Diamanten und Smaragden trug, das traumhaft zu ihrem Kleid passte. Hingerissen starrte sie zurück.
„Oh“, hauchte sie, „es ist bezaubernd! Aber ...“, damit wandte sie sich ihrem Gatten zu, „sind das nicht die Mostyn-Juwelen? Ich meine, ich sah sie einmal an Beth.“
Kit lächelte bewundernd. „Sie passen hervorragend zu Ihnen“, sagte er erfreut,
„genau wie ich dachte.“
Behutsam strich Eleanor mit den Fingerspitzen über die Brillanten. Der Halsschmuck war umwerfend schön, und Kit hatte recht: In seiner Zierlichkeit stand er ihr ausgezeichnet. Die überladenen Gehänge der Matronen waren nichts für sie. So zart war sie, dass nur Schmuck von nahezu ätherischer Leichtigkeit zu ihr zu passen schien.
„Beth wollte, dass Sie den Schmuck bekommen, sollen doch unsere Familienjuwelen stets von der jeweiligen Lady Mostyn getragen werden“, erklärte er. „Sie stehen Ihnen also zu! Zudem äußerte sie den Wunsch“, fügte er mit jungenhaftem Grinsen hinzu, „– es mag nicht gentlemanlike sein, es zu erwähnen –, bei ihrer jetzigen Figur lieber etwas Größeres, Kräftigeres zu tragen.“
Prompt konnte Eleanor sich eines Kicherns nicht erwehren. „Es ist wahr“, pflichtete sie ihm bei. „Beth könnte durchaus etwas ... Prunkvolleres tragen, für das ich nicht die richtigen ... hm ... Proportionen aufweise ...“
Dabei schielte sie auf ihre eigenen kleinen Brüste hinunter und merkte erst, als sie aufschaute, dass Kits Blick ebenfalls auf ihnen ruhte. Vielsagend lächelnd zog er eine Augenbraue hoch.
„Ich hatte niemals Grund, mich zu beklagen, Eleanor!“, murmelte er.
Sie erglühte von Kopf bis Fuß. Ihr wurde heiß. Wie sollte sie in solcher Nähe zu Kit leben, wenn er sie stets zu verstören vermochte? Um ihre Beschämung zu kaschieren, griff sie nach ihrem Abendcape und begann aufs Heiterste
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