04 - komplett
verstehen ...“ Er suchte ihren Blick. „Vergeben Sie mir! Die Sache ist heikel ...“
„Auch für mich ist es nicht leicht, Kit!“, gab Eleanor zögernd zurück. „Wenn Sie es mir nicht erzählen wollen ...“
„Ich weiß ja! Zu viel schon habe ich Ihnen abverlangt. Doch beschwöre ich Sie, mir noch einmal, für kurze Zeit nur, einen Vorschuss auf Ihr Vertrauen zu gewähren!
Können Sie mir diese Bitte gewähren, Nell?“
Mit abgewandtem Blick saß Eleanor neben ihm. Zwar ahnte sie, dass hinter seiner Geheimniskrämerei nur höchst ehrenwerte Motive stecken konnten; doch begehrte sie stumm auf, weil ihrem armen Herzen schon zu viel zugemutet worden war. Es erschien ihr nicht gerecht, weiterhin Geduld aufbringen zu müssen, und noch gab es Reste des Ärgers und der Bitterkeit, die Kits lange Abwesenheit in ihr erzeugt hatte, sodass es sie nach der ganzen Wahrheit verlangte.
„Ich danke Ihnen für das, was Sie mir anvertrauten, Kit, und werde darüber nachdenken, was Sie sagten ...“
„Warten Sie!“, rief er aus. „Es gibt noch etwas Wichtiges, Eleanor!“ Damit zog er seine widerstrebende Gemahlin an sich. „Ich hätte es Ihnen als Allererstes sagen sollen: Was passiert ist, tut mir furchtbar leid! Bitte glauben Sie mir, dass es nie meine Absicht war, Sie allein zu lassen, was ich auf immer aus tiefstem Herzen bereuen werde ...“
„Oh, bitte, halten Sie ein!“, rief sie, denn sie war am Ende ihrer Kräfte.
„So sagen Sie mir wenigstens, ob Sie mir glauben können“, bat er verzweifelt.
„Selbstverständlich kann ich das!“ Damit entzog sie sich ihm. „Doch ist es nun einmal nicht leicht für mich, Kit! Während Ihrer Abwesenheit habe ich Schlimmes durchgemacht. Ich verstehe ja, dass dies nicht in Ihrer Absicht lag, und mit der Zeit kann ich Ihnen sicher auch vergeben ...“, hier brach ihr die Stimme, „... aber bitte, verlangen Sie jetzt nicht mehr von mir!“
„Ich verstehe“, sagte Kit in ruhigem Ton. Die Enttäuschung stand ihm lebhaft ins Gesicht geschrieben, und er ließ Eleanors Hände los, worauf sie sich bebend erhob.
„Es ist höchste Zeit, hinaufzugehen und mich zurechtzumachen“, entschuldigte sie sich mit schwacher Stimme. „Wir werden sonst zu spät kommen.“
„Zum Teufel mit dem Ball!“ Auch Kit stand auf. „Eleanor ...“
Unerwartet nahm er sie in die Arme und hielt sie fest, während er die Lippen auf ihren Mund presste. Sie versuchte, sich loszureißen, doch packte er sie nur noch fester. Und ihrer Furcht zum Trotz, und obwohl seine Heftigkeit sie erschreckte, antwortete ihr Körper dem seinen, und ihr Blut geriet in Wallung.
Urplötzlich ließ er sie wieder los, und sie standen atemlos voreinander. Auf ein Wort der Entschuldigung wartete sie vergeblich.
„Ich muss hinaufgehen“, wiederholte Eleanor mit gepresster Stimme, woraufhin er die Tür öffnete und übertrieben höflich für sie aufhielt.
Sie floh die Treppe hinauf, nicht wissend, ob ihre zitternden Beine sie bis in ihr Zimmer tragen würden. Aber obwohl ihre Gefühle in einem unbeschreiblichen Aufruhr waren, ereilte sie die Erkenntnis, dass sie den Absichten ihres Gatten in Zukunft noch entschiedener entgegentreten musste. Immer wieder versuchte er ihren Entschluss, in ihrer Ehe reine Freundschaft zu halten, zu unterminieren und konnte dabei, was am schlimmsten war, auf jenen unvernünftigen Teil von ihr selbst zählen, der sich nach Hingabe sehnte. Nur ihre Angst und die Erinnerung an ihre Schmach hatten sie bisher davor bewahrt, ihm nachzugeben.
8. KAPITEL
„Marcus scheint mir heute furchtbar schlecht gelaunt“, flüsterte Eleanor ihrer Schwägerin Beth zu, als sie auf Lady Knightons Abendgesellschaft gemeinsam einen Tanz ausließen, um ein paar Worte miteinander zu wechseln. „Als ich mich vorhin nach seinem Befinden erkundigte, hätte er mir am liebsten den Kopf abgerissen!
Weißt du, was mit ihm los ist?“
Vielsagend hob Beth die Augenbrauen, und Eleanor versuchte, nicht laut aufzulachen. „Ach, ist es wegen des Streiks?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme. „So grantig, wie er daherkommt, kann er Mama das Wasser reichen, die heute ebenfalls ein rechter Griesgram ist.“
„Ich bekenne, dass er sehr ungehalten reagierte, als ich ihn abwies“, erklärte Beth voll Zufriedenheit.
„Allerdings hat er sich noch nicht erweichen lassen“, bemerkte Eleanor. „Im Kartenzimmer sah ich ihn wieder Kit absichtlich den Rücken zukehren. Du wirst Ausdauer brauchen!“
Sie blickte zur
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