04 - komplett
erschauern ließ.
Als dann die ganze Gesellschaft sich vor dem Aufbruch ins Theater in der Halle Mäntel und Capes reichen ließ, fasste Kit seine Gemahlin beim Arm und zog sie in eine Ecke.
„Eleanor“, sagte er atemlos zu ihr, „war es nötig, dieses Thema in einer Situation anzusprechen, die es ausschließt, sich damit zu befassen?“
„Was war das noch für ein Thema, Mylord?“, fragte sie gespielt beiläufig, vermied aber peinlichst, ihn anzusehen.
„Das wissen Sie genau!“, zischelte er ihr zu, wobei er sie leicht schüttelte. „Der Teufel sei mein Zeuge, dass ich seither an nichts anderes mehr denken kann!“
„Ach das!“, hauchte Eleanor. „Darin liegt wohl das Problem, Kit: Manchmal denken Sie so viel nach, dass Sie ... das Handeln darüber vergessen!“
Freundlich machte sie sich von seinem Arm frei, ließ sich von einem Lakaien ihr Abendcape reichen und eilte, über ihre eigene Verwegenheit erstaunt, hinaus zur Kutsche.
Im Theater gab man „Sieg durch weibliche List“ von Goldsmith, eins von Eleanors Lieblingsstücken; am heutigen Abend aber schien es ihr deutlich weniger kurzweilig als sonst. Dafür war sie sich der Anwesenheit ihres Gatten, der hinter ihr in der Loge saß, mehr als bewusst, und sie spürte förmlich, wie eindringlich er seine Aufmerksamkeit auf sie richtete. Als es zur Pause läutete, reichte er ihr den Arm.
„Geben Sie mir die Ehre, meine Liebe?“, fragte er liebenswürdig und führte sie in den Korridor hinaus, wo großer Andrang herrschte, da fast alle Theaterbesucher auf dem Weg ins Foyer waren, um sich dort zu ergehen. Zunächst sprach weder Kit noch Eleanor ein Wort, doch sie genoss seine körperliche Nähe ungemein.
„Was wollten Sie vorhin mit Ihrer Bemerkung sagen?“, brach Kit nach einer Weile das Schweigen.
Eleanor entfuhr ein Seufzer, zehrte der Abend doch stärker an ihren Nerven, als sie sich ausgemalt hatte. Sie fand es widersinnig, dass Kit, der bis vor Kurzem leidenschaftlichste Gefühle für sie offen zeigte, sich nun sträubte, ihre Fingerzeige, und seien sie noch so drastisch, zu verstehen. Ohne viel Federlesen zog sie ihn hinter eine dicke Säule, wo sie den Blicken der flanierenden Menge weitgehend entzogen waren.
„Ich meinte, dass wir so viel Zeit verschwenden, auf den richtigen Moment zu warten, uns zu lieben“, sprach sie, all ihren Mut zusammennehmend, „bis wir ihn wohl verpassen könnten!“ Damit legte sie ihm die Hände auf die Brust, wo sie sein Herz klopfen fühlte. „Kommen Sie näher!“, drängte sie, worauf er sich gehorsam über sie beugte.
„Wenn Sie sich nur zurückhalten, um mich nicht zu erschrecken ...“, errötend reckte sie sich, um ihm den restlichen Satz ins Ohr zu flüstern, „bitte ich Sie, das ab jetzt zu lassen! Ich sehne mich danach, von Ihnen geliebt zu werden. Und verzichten Sie auf weitere Geständnisse; mehr bringe ich nicht über meine Lippen!“
Bevor Kit sich äußern konnte, trat sie hinter dem Pfeiler hervor und machte sich auf den Rückweg in die Loge, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Langsam folgte Kit ihr in der Gewissheit, dem Theaterstück, dem er schon im ersten Akt kaum Beachtung gezollt hatte, nach dieser Enthüllung erst recht nicht mehr folgen zu können. Bereits beim Dinner war er mit nichts anderem beschäftigt gewesen als mit der unerhörten Bemerkung, die seine Gemahlin in der Halle hatte fallen lassen und bei der sie in aller Unschuld und bei aller Sittsamkeit ungemein verführerisch auf ihn gewirkt hatte. Dazu besagte mancher verheißungsvolle Blick, den sie ihm zuwarf, dass sie sich ihm hinzugeben wünschte ...
Fast prallte er im Korridor mit Lady Salome zusammen und entschuldigte sich geistesabwesend, bevor er die Loge wieder betrat. Eleanor, die mit Beth plauderte, warf ihrem Gatten errötend einen kurzen Blick zu, wobei ihm nicht entging, wie ihre Augen funkelten. Ihr Abendkleid in Rosé, nur mäßig dekolletiert, ließ sie wie eine Débütantin wirken – oder wie eine junge Braut, die sich gerade verlobt hatte. Es stand ihr hervorragend, und es gelüstete ihn danach, mit der dunklen Locke zu spielen, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte und sich ganz reizend auf ihrem Nacken ringelte ...
Der Rest der Aufführung erschien ihm endlos; und als endlich der Vorhang fiel, folgten umfangreiche Absprachen der drei Damen, den nächsten Tag betreffend.
Jede Minute, um die Kit sein Alleinsein mit Eleanor verschoben sah, peinigte ihn ungemein. Dabei machte ihn allein der
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