04 - komplett
ist.“
„Am besten bringen Sie mich in die Küche“, schlug Tara hoffnungsvoll vor. „Vielleicht krieg ich da was zu essen.“
„Janet wird sich um ihren Knöchel kümmern und ihr etwas Sauberes zum Anziehen geben“, meinte Cassie. „Das tut sie immer, wenn ...“ Unter seinem amüsierten Blick hielt sie inne. „Zu Hause, wissen Sie.“
„Ach ja, Ihre Janet. Je mehr ich über sie erfahre, desto größer wird mein Respekt vor ihr.“ Er lachte. „Ich bringe Tara also in die Küche hinunter und lasse sofort nach Janet schicken.“
Cassie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und eilte ins Haus. Vor den hohen Spiegeln in der Halle blieb sie kurz stehen, um ihr Haar und ihr Kleid ein wenig in Ordnung zu bringen. Gegen den Schmutz an ihrem Saum und dort, wo sie sich hingekniet hatte, konnte sie im Augenblick nichts tun. Also hielt sie sich nicht weiter auf, klopfte sich nur oberflächlich ab und machte sich unverzüglich auf zum Salon.
„Ah, da sind Sie ja!“, rief Lady Longbourne und stand auf. „Es ist fast Zeit, sich zum Dinner umzuziehen, meine Liebe. Sie haben den Tee verpasst. Soll ich Ihnen ein Tablett bringen lassen?“ Und als Cassie nur den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: „Wo waren Sie nur, mein Kind? Ich fürchtete schon, Ihnen sei etwas zugestoßen.“
„Verzeihen Sie mir, liebste Lady Longbourne. Ich hatte nicht gedacht, dass ... es so lange dauern würde, zum Haus zurückzukehren.“ Sie entschloss sich, lieber nichts von der ganzen Geschichte zu erwähnen, um ihre Gastgeberin nicht unnötig in Aufregung zu versetzen.
„Da Sie in Sicherheit sind, gibt es nichts zu verzeihen.“ Ihre Ladyschaft seufzte.
„Meine einzige Sorge ist jetzt, Sie könnten sich verausgabt haben. Morgen brechen wir immerhin nach London auf, das haben Sie doch nicht vergessen, oder? Eine Reise ist immerhin schrecklich anstrengend.“
„Mir erscheint es nie so“, gab Cassie zu. „Es gibt immer so viel zu sehen. Und die Freude auf alles, was einen am Ende der Reise erwartet, entschädigt für jede Anstrengung. Ich freue mich sehr auf unseren Besuch in der Stadt, Mylady. Und Sarah sicher auch. Außerdem schätzen wir uns glücklich, dass Sie es sind, die uns unter ihre Fittiche genommen hat. Sie besitzen Stil und kleiden sich so geschmackvoll. Ich kann es kaum erwarten, von Ihnen in allen Fragen des guten Geschmacks geführt zu werden. Wenn es Ihnen nur nicht zu viel Mühe macht.“
Ihre Ladyschaft versicherte ihr geschmeichelt, dass Cassie nie eine Mühe für sie sein könnte.
„Als Carlton vorschlug, Sie hierher einzuladen, war ich nicht sicher, ob meine Gesundheit dem gewachsen sein würde, aber um die Wahrheit zu sagen, meine Liebe – Sie sind gut für mich. Es ist so angenehm, wieder junge Menschen im Haus zu haben. Ich freue mich schon darauf, Sie beide in die Gesellschaft einzuführen. Die Leute der Stadt werden Sie nicht anöden wie die alten Langweiler hier auf dem Land.
Seien Sie unbesorgt, Cassie.“
Es vergingen weitere zwanzig Minuten, bevor Cassie sich von Lady Longbourne trennen und auf ihr Zimmer gehen konnte. Janet wartete bereits auf sie. Ihre Miene verriet eine Mischung aus Verzweiflung und verständnisvoller Zuneigung.
„Ach, bitte schimpf nicht mit mir“, rief Cassie, die diesen Ausdruck nur allzu gut kannte. „Ich weiß, es war falsch von mir, Lord Carlton und seiner Mama dieses Problem aufzuhalsen – nun, Lady Longbourne nicht ganz, da ich ihr nichts von Tara verraten habe –, aber sie steckt in einer so schwierigen Lage, die Arme. Ich konnte sie doch nicht ihrem schrecklichen Herrn überlassen, oder?“
„Nein, Miss Cassandra, Sie ganz bestimmt nicht. Zum Glück zeigt Seine Lordschaft auch viel Verständnis. Von einem Gast erwartet man eigentlich nicht, fragwürdige Geschöpfe ins Haus zu schleppen. Sie haben doch nur Taras Wort, dass sie nicht vor dem Gesetz davonläuft. Könnte sie nicht auch eine Diebin sein oder Schlimmeres?“
Cassie zog nachdenklich die Stirn kraus. „Aber nein, das halte ich nicht für wahrscheinlich, Janet. Die arme Tara ist noch ein halbes Kind.“
„Genau wie der kleine Bettler, den Sie letzte Ostern weinend vor dem Tor sitzen sahen und ins Haus brachten, damit er gewaschen und gefüttert werden konnte. Er stahl eine Pastete und eine Flasche vom besten Brandy des Butlers, bevor er sich mitten in der Nacht aus dem Staub machte.“
„Ja, das war sehr böse von ihm“, stimmte Cassie zu. „Allerdings hätte er auch etwas viel Wertvolleres
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