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04 - komplett

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Titel: 04 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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bestürzt stehen. Es musste ein Kind sein!
    Ohne die mögliche Gefahr für sich in Betracht zu ziehen, folgte sie dem mitleiderregenden Geräusch, das sie zu einem gewundenen Weg führte. Gleich darauf blieb sie stehen, als sie ein auf dem Boden kauerndes Geschöpf entdeckte.
    Ein Kind, ein kleines Mädchen von vielleicht zehn Jahren, hatte die Arme um die Beine geschlungen und gab diese Geräusche von sich, die an das Jaulen einer verletzten Katze erinnerten.
    „Oh, mein armes Kind“, sagte Cassie und eilte hinüber. „Was ist geschehen? Hast du dir wehgetan?“
    Das Mädchen hob den Kopf, als Cassie näher kam, und starrte sie angsterfüllt an. Das schmutzige Gesichtchen war tränenverschmiert, der Ausdruck in den blauen Augen des Mädchens zeigte Cassie deutlich, dass es erwog, die Flucht zu ergreifen. Aber es hatte offenbar nicht die Kraft aufzustehen und sank mit einem leisen Schrei wieder zu Boden.
    „Bitte hab keine Angst“, beschwichtigte Cassie das Kind. „Ich werde dir nichts tun.
    Wenn ich darf, möchte ich dir helfen.“
    Jetzt aus der Nähe stellte Cassie fest, dass die arme Kleine älter war, als sie zunächst vermutet hatte, aber blass und unterernährt. Sie kniete sich neben sie und sah, wie das Mädchen sich seinen Knöchel hielt.
    „Hast du dich verletzt? Dein Knöchel ist geschwollen. Bist du gefallen und hast ihn dir verstaucht?“ Das Mädchen nickte, immer noch ängstlich und zurückhaltend.
    „Darf ich schauen? Nur um sicherzugehen, dass du dir nichts gebrochen hast.“
    „Ist nich’ gebrochen“, sagte die Kleine mit tränenerstickter Stimme. Sie wischte sich die Nase am Ärmel ab, der selbst nicht besonders sauber war. „Ich bin gelaufen und über eine Baumwurzel gestolpert.“
    Cassie betastete den verletzten Knöchel behutsam. Das Mädchen zuckte ein- oder zweimal zusammen, gab aber keinen Laut von sich.

    „Stimmt, gebrochen ist wohl nichts“, stimmte Cassie erleichtert zu. „Trotzdem kann eine schlimme Verstauchung sehr schmerzhaft sein. Es wundert mich nicht, dass du weinen musstest.“
    „Wegen dem hab ich gar nicht geweint.“ Cassies freundlicher Ton ließ die Kleine offenbar Mut fassen. „Sondern weil der doch hinter mir her ist, um mich zurückzuholen. Und dann wird er mich verprügeln, und ich muss wieder schuften.“
    „Du armes Ding. Dein Herr muss sehr streng sein.“
    „Ist nicht mein Herr.“ Ein leiser Schluchzer entfuhr ihr. „Das heißt, er zahlt mir nichts.
    Er ist bloß der Kerl meiner Mutter gewesen. Als die den Löffel abgegeben hat, hat er mich für mein Essen arbeiten lassen. Er hat ’ne Wirtschaft im Dorf, und ich muss putzen und feudeln und in der Schenke servieren. Aber das macht mir ja auch nichts aus. Ist auch egal, dass er so’n gemeiner alter Knicker ist. Es ist wegen der andern Sache ...“
    „Welcher anderen Sache?“ Als das Mädchen knallrot wurde, hielt Cassie entsetzt den Atem an. „Du meinst doch nicht ... Aber du bist doch noch ein Kind!“
    „Ich bin fast dreizehn. Er sagt, es wird Zeit, dass ich richtig zu arbeiten anfange. Er sagt, meine Ma war auch eine Dirne, also soll ich ihm einen schönen Batzen verdienen, weil es mein erstes Mal sein wird ... Aber ich wollte nicht von dem widerlichen Morgan betatscht werden. Und so bin ich weggelaufen.“
    „Morgan, ist das dein Dienstherr?“, fragte Cassie tonlos. So behütet, wie sie aufgewachsen war, berührte die Geschichte des Mädchens sie tief.
    „Nein, Morgan ist der Kerl, an den der alte Carter mich verkaufen will. Aber ich will das nicht. Ich wollt nach London gehen und da mein Glück machen. Und jetzt hab ich mir wehgetan, und er wird mich finden und zurückholen.“
    „Nein, das wird er nicht“, sagte Cassie entschlossen. „Weil du mit mir kommen wirst und ...“ Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie hier nicht zu Hause war, sondern ein Gast Lady Longbournes. „Ich werde dir helfen, mein Kind. Ich werde deinen Knöchel verbinden und dir dann Geld für eine Kutschfahrt nach London geben. Dort wirst du einen Herrn finden, der dich bezahlen wird, dich nicht schlägt und ganz gewiss nicht ... das von dir verlangt.“
    „Wieso woll’n Sie einer wie mir denn helfen, Miss?“ Die Kleine sah sie misstrauisch an. „Sie sind ne Dame. Und es stimmt schon, was der alte Carter sagt. Meine Ma war
    ... was sie war“, brachte sie leise hervor.
    „Weil ich helfen möchte. Ich heiße Cassandra, aber meine Freunde nennen mich Cassie. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich bin

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