04 - Spuren der Vergangenheit
schwaches Kribbeln, als der Weiße in ihm steckte, und zwang sich, nicht in Panik zu verfallen. Nach einer Weile ließ das unheimliche Wesen von ihm ab, trat wieder aus ihm heraus.
»Du gefährdest alles!«, schnarrte der Weiße.
»Das hoffe ich«, erwiderte Ah Ahaual. »Denn du bist durchschaut. Wir haben herausgefunden, wozu du die Maschine wirklich benutzen willst.«
»Und wozu?« So lauernd hatte der angebliche Göttergesandte noch niemals geklungen. Und wieder wusste er von nichts. Ah Ahaual wertete dies als Indiz dafür, dass die Warnungen der Seher stimmten. Dieses fremde Wesen wollte die Welt vernichten! Aber warum? In wessen Auftrag?
Bevor Ah Ahaual ihn dies fragen konnte, flog der Weiße geradezu aus dem Raum. Vermutlich ahnte er, was in der Zwischenzeit geschehen war.
Ah Ahaual eilte ihm hinterher. Er konnte nicht Schritt halten mit dem Geist, wusste aber, wo er ihn finden würde.
Als er die Werkstätten erreichte, tobte der Mann aus Licht durch die Räume. »Wo – sind – sie?« Seine Stimme klang wie fauchender Wind.
»Suchst du etwas Bestimmtes?«, fragte Ah Ahaual kühl. Er war jetzt ganz überlegener Herrscher und stellte sich vor, einem unterworfenen Stammesoberhaupt gegenüberzustehen. Er brauchte diese Denkhilfe, um die Angst – ob berechtigt oder eingebildet – gar nicht erst an sich heranzulassen.
» Du weißt , wonach ich suche!« Die Stimme des mal hierhin, mal dorthin springenden Schemens wurde zum Sturmgeheul.
»Es ist nicht mehr da«, entgegnete der Kazike. »Und du solltest auch verschwinden. Lass uns in Ruhe, böser Geist!«
»Du weißt nicht, was du sagst ! Du weißt nicht, was du getan hast! Ich gebe dir eine letzte Chance, deinen Fehler wieder gutzumachen …« Plötzlich stand der Mann aus Licht wieder vor Ah Ahaual. Das Weiß seiner Pupillen schien sich in die Augen des Herrschers zu brennen.
Ah Ahaual erwiderte den Blick, so gut er konnte. »Ich weiß sehr wohl, was ich sage«, antwortete er. »Du wolltest mein Volk sein eigenes Grab schaufeln lassen! Ich hätte dir früher misstrauen müssen! Ich hätte meinen Sohn nicht dazu hergeben dürfen, sich für ein Ungeheuer in Gefahr zu bringen! Das bist du doch, nicht wahr? Zeige mir dein wahres Gesicht! Offenbare deine wirklichen Absichten!«
Seine Worte gossen Öl ins Feuer der Unbeherrschtheit.
Der Weiße wurde zu Licht, so hell und beißend, dass es die Netzhäute zu zerstören drohte. Ah Ahaual schloss instinktiv die Augen und beschattete sie zusätzlich mit den Händen – aber selbst das genügte nicht, um das furchtbare Strahlen abzuwehren.
Endlich erlosch der grelle Schein.
Ah Ahaual wartete noch eine Weile, um sicherzugehen, keiner Finte aufzusitzen. Dann spähte er vorsichtig zwischen den gespreizten Fingern hervor.
Der Weiße war verschwunden, sowohl als manifestierte Gestalt als auch als Lichtspuk.
Ah Ahaual glaubte nicht, dass damit bereits der Sieg errungen war, und er fand sich bestätigt. In den nächsten Tagen wurden aus allen Winkeln des Palasts und der Stadt Erscheinungen gemeldet, die einzig auf den Weißen zurückgehen konnten. Er durchstöberte jede Gasse, jedes Haus und terrorisierte die Bewohner.
Allein, er mochte Schrecken verbreiten – eine Antwort erhielt er dadurch nicht.
Ein einziger Mann war für die Zerstreuung der Gegenstände verantwortlich – der, auf den sich Ah Ahaual am meisten verlassen konnte.
Ts’onot, sein hellsichtiger Sohn!
Er hatte längst Ah Kin Pech hinter sich gelassen, alles im Gepäck, was die Maya auf Geheiß des falschen Wohltäters angefertigt hatten – und dazu einen magischen Stein, der alles Licht in seiner unmittelbaren Umgebung verschlang.
Speziell dieser Stein bereitete Ah Ahaual Sorgen. Alles andere war ersetzbar – aber den Dieb des Himmelssteins, das ahnte Ah Ahaual, würde der Weiße nicht aufhören zu jagen.
Wehe uns, mein Sohn, wenn er die Teile wiederfindet.
Aber wehe dir, mein Sohn, wenn er dich findet …!
Sorgenvoll wartete Ah Ahaual Tag um Tag auf eine Nachricht Ts’onots.
Doch wer sich meldete, war der Mann aus Licht. Wie ein Spuk erschien er Ah Ahaual mitten in der Nacht und jagte ihm einen Schrecken ein.
Nichts von Dauer jedoch, denn der Maya-Kazike war zur Überzeugung gelangt, dass sie den Betrüger empfindlich getroffen hatten und er zu nichts anderem mehr fähig war als zu leeren Drohungen.
Darin erging er sich auch bei der neuerlichen Begegnung.
»Ich bin müde«, wisperte er, als besäße er nicht mehr genug Atem, um
Weitere Kostenlose Bücher