04 - Winnetou IV
ein halber, ein Mischling?“
„Ja“
„Eure Mutter war Indianerin?“.
„Ja.“
„Von welchem Stamme?“
„Sioux.“
„Und Euer Vater?“
„Der kam aus dem gelobten Land herüber und war von Geburt Armenier.“
„Schade, jammerschade!“
„Wieso?“
„Es tut mir so leid um das gelobte Land, daß es sich die Ehre, Euch geboren zu haben, hat entschlüpfen lassen! Die Armenier sind, wenn sie herüberkommen, immer Händler. Ihr wohl auch?“
„Ich bin Bankier!“ erwiderte der Fremde stolz. „Nun aber laßt mich los! Und sagt auch, wer Ihr seid!“
„Das soll geschehen. Ich bin ein alter, wohlbekannter Prärieläufer und heiße Pappermann, Maksch Pappermann, verstanden? Nebenbei ist es mein ganz besonderes Metier, grobe Leute höflich und dumme Menschen gescheit zu machen. Ihr seid nicht allein? Eure Begleiter stecken noch da drüben unter den Bäumen?“
„Ja.“
„Es sind Frauen dabei?“
„Ja“
„Siouxfrauen, die nach dem Mount Winnetou wollen?“
„Ja, woher wißt Ihr das?“
„Das ist meine Sache, nicht Eure. Wer sind die Männer dabei?“
„Das sind die Herren vom Komitee mit ihrer Dienerschaft und den Führern.“
„Was für ein Komitee?“
„Das Komitee für den Denkmalbau eines –“
Er hielt inne. Es fiel ihm ein, daß Weiße als Mitwisser ja eigentlich ausgeschlossen seien. Darum fuhr er fort:
„Fragt sie selbst! Ich bin nicht ermächtigt, über die Zwecke dieses Komitees Auskunft zu erteilen! Und laßt mich nun doch endlich los!“
Da schüttelte Pappermann ihn noch einmal tüchtig durch, gab ihn dann frei und sagte:
„So kehrt zu ihnen zurück, und sagt ihnen meinen Namen! Besonders den Damen! Es sind einige dabei, die mir beistimmen werden, daß man hier zu grüßen hat!“
Herr Antonius schlingerte wieder über die Lichtung hinüber, bis er unter den Bäumen verschwand. Sein Indianername Okih-tschintscha bedeutet in der Siouxsprache soviel wie ‚Mädchen‘. Er schien sich also schon von Jugend auf durch männliche Taten und männliche Eigenschaften nicht allzusehr ausgezeichnet zu haben. Er war der Kassierer des ‚Denkmalkomitees für Winnetou‘. Man wird sich erinnern, daß gerade er und sein Verhältnis zu Old Surehand mir gleich von Anfang an als nicht vertrauenswert erschien. Nun ich ihn heut zum ersten Mal sah, war der Eindruck, den er auf mich machte, kein günstiger. Das Herzle dachte ebenso.
„Ein Mischling!“ sagte sie. „Du bist doch immer der Meinung, daß diese Halbblutleute meist nur die schlimmen Eigenschaften ihrer Eltern erben?“
„Ja, meist. Aber schau! Man kommt!“
Kaum hatte der Halbindianer da drüben den Namen Pappermann genannt, so hörten wir den frohen Ruf einer weiblichen Stimme, und gleich darauf erschienen zwei Frauengestalten, die mit eiligen Schritten über die Lichtung herüberkamen. Die eine war Aschta, die wir am Kanubisee gesehen hatte, die andere wahrscheinlich ihre Mutter. Die übrigen Ladies folgten ihnen auf dem Fuß, hinter ihnen die Männer in langsameren, würdigeren Schritten.
Wir standen alle auf.
„Mir wird ganz schwach!“ sagte Pappermann.
Er lehnte sich an den nächsten Baum. Aber seine alten, guten, treuen, ehrlichen Augen standen weit offen und waren mit seligem Ausdruck auf die beiden, sich nähernden Frauen gerichtet.
Man sah sofort, daß diese beiden Mutter und Tochter waren, so sprechend ähnlich, so fast völlig gleich zeigten sie sich nicht nur in Beziehung auf ihre Gesichtszüge, sondern auch in Hinsicht auf ihren Gang, ihre Haltung und die Art, sich zu bewegen und sich auszudrücken. Dazu kam, daß sie völlig gleich gekleidet waren. Die vierzig Indianerinnen stimmten in ihren Anzügen überhaupt alle überein. Auch trugen sie alle den Stern des Clan Winnetou.
Aschta hießen beide. Sie kamen Hand in Hand. Die Mutter war beinahe fünfzig Jahre alt, aber immer noch schön, und zwar von jener Schönheit, an welcher die Seele nicht weniger Anteil hat, als der Körper.
„Da ist er!“ sagte die Tochter, indem sie auf Pappermann zeigte. „Und dort steht der ‚Junge Adler‘, von dem ich Dir auch erzählte.“
Aber die Mutter achtete jetzt nicht auf den letzteren, sondern nur auf den ersteren. Sie gab die Hand ihrer Tochter frei, blieb einen Augenblick stehen, ließ ihren Blick über ihn gleiten und sagte:
„Ja, er ist es, der Liebe, der Gute, der Bescheidene!“
Sie trat bis ganz zu ihm heran, ergriff seine Hände, hob ihre schönen, dunklen, aber klaren Augen zu seinem Gesicht
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