04 - Winnetou IV
zu beginnen.“
„Da stellen wir uns zeitig ein, vielleicht schon um elf!“
„Aber du doch nicht?“ sagte ich.
„Warum nicht?“ fragte sie.
„Du hast doch soeben erst gehört, daß ‚Weibern‘ der Zutritt bei sofortiger Todesstrafe verboten ist! Das ist mir zu gefährlich! Ich als dein Mann habe vor allen Dingen darauf zu sehen, daß du zu jeder Zeit mir wenigstens am Leben bleibst! Ich fühle mich also zu der Erklärung verpflichtet, daß du von der Teilnahme an diesem nächtlichen Abenteuer vollständig ausgeschlossen bist!“
„Oho! Ich verweigere den Gehorsam! Nimmst du deine Erklärung nicht sofort zurück, so gehe ich auf der Stelle nach dem ‚Haus des Todes‘ und verstecke mich dort bis Mitternacht, um euch alle miteinander zu belauschen, nicht nur die Indianer, sondern auch euch!“
„Wohin willst du dich verstecken?“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Das muß man aber wissen!“
„Schon vorher?“
„Gewiß! Es ist sehr schnell gesagt: ich verstecke mich. Aber den richtigen Platz zu finden, das erfordert Überlegung, die nicht zu spät kommen darf. Wir wissen noch nicht, wie viele Personen sich einstellen werden – – –“
„Ich weiß es“, fiel Kakho-Oto ein. „Es kommen Kiktahan Schonka, Tusahga Saritsch, To-kei-chun und Tangua, die vier Oberhäuptlinge, sodann die beiden Medizinmänner der Kiowas und der Komantschen und außerdem fünf Unterhäuptlinge von jedem der vier Stämme. Auch einige gewöhnliche Krieger sind dabei, um das nötige Feuerholz und Tangua zu tragen, der nicht gehen kann. Jeder Stamm wird sein eigenes Beratungsfeuer brennen. Das Feuer für alle aber wird auf dem Altar angezündet, der die Medizinen der Oberhäuptlinge zu empfangen hat, bis das, was die Beratung ergeben hat, auch ausgeführt worden ist.“
„So können wir also annehmen“, fuhr ich nun fort, „daß wenigstens dreißig Personen vorhanden sein werden. Wo und wie sie sich verteilen und plazieren, das wissen wir nicht. Es gibt somit im unteren Teil des Hauses, im Parterre, im Flur, auf dem Fußboden, keine einzige Stelle, an der wir sicher sein könnte, nicht bemerkt zu werden. Es ist da überhaupt kein einziger Gegenstand vorhanden, hinter dem wir uns verstecken könnten. Es steht da ganz allein nur der Altar, um den sie sich versammeln werden.“
„So verstecken wir uns oben!“ rief das Herzle. „Mit Hilfe der Leiter! In den Nischen, in den Luftlöchern, in den Fenstervertiefungen!“
„Ganz recht!“ nickte ich. „Aber denkst du dabei auch an die Feuer?“
„Soll ich das? Wozu?“
„Wozu? Welche Frage! Um nicht zu ersticken oder durch immerwährendes Räuspern und Husten dich wenigstens zu verraten! Es werden fünf Feuer brennen, vier Stammes- und ein Altarfeuer. Diese Feuer werden mit Holz, Reisig usw. genährt. Das gibt, zumal wenn dieses Material nicht ganz trocken ist, einen so bedeutenden Rauch und Qualm, daß es da oben, wohin du steigen willst, gar nicht auszuhalten ist, außer wir finden einen Platz, wo dieser Qualm und Rauch uns nicht erreicht.“
„Denkst du, daß es einen solchen gibt?“
„Ich hoffe es. Unten können wir uns freilich nicht verstecken; wir müssen hinauf. Aber auch nicht zu hoch, weil wir da nichts hören würden. Es gilt, die Windrichtung zu erkennen und den Luftzug zu berechnen. Das Tor und alle Fensteröffnungen stehen offen. Es wird also Luftzug mehr als genug vorhanden sein. Aber nach welcher Seite geht er? Ich schlage vor, daß wir probieren! Wir haben fast noch eine Viertelstunde Zeit, ehe es Abend wird. Gehen wir schnell nach dem Haus, um ein Feuer anzuzünden und zu sehen, wohin der Rauch entweicht.“
„Und dabei erwischt zu werden!“ warnte Pappermann.
„Es kommt niemand“, versicherte Kakho-Oto. „Wir können es unbesorgt tun.“
Mein Vorschlag wurde also ausgeführt. Wir begaben uns nach dem alten Bauwerk und sammelten unterwegs soviel dürres Holz, wie nötig war, den geplanten Versuch zu machen. Die Leiter wurde wieder hervorgeholt. Als das Feuer brannte, blieb Pappermann unten, um es zu schüren; wir vier anderen aber stiegen hinauf und beobachteten die durch die Wärme verursachte Luftbewegung und den abziehenden Rauch. Hierdurch entdeckten wir die für uns am besten geeignete Stelle und stiegen wieder hinab, um das Feuer auszulöschen und jede Spur desselben sorgfältig zu vertilgen. Dann kehrten wir nach unserem Lagerplatz zurück. Kakho-Oto verabschiedete sich von uns, um sich zu ihren Kiowas zu verfügen und
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