04 - Winnetou IV
zu machen? Bedenke doch: Neun Indianerinnen und vier Indianer in dem großen, riesigen Gewölbe, welches man hier als Küche zeigt! Was haben die rennen, laufen und arbeiten müssen! Und was werden sie noch zu arbeiten haben, bis das Essen beginnen kann! Es wird großartig! Ich backe sogar Pfannkuchen. Es ist alles dazu da! Nun aber gute Nacht!“
„Auf wie lange?“
„Auf nur zwei Stunden. Bis fünf Uhr. Dann muß ich wieder fort. Alle dreizehn Personen sind wieder bestellt.“
„Mein armes Herzle!“
„O bitte! Hier gibt es gar nichts zu klagen! Ich fühle mich unendlich glücklich, für so viele und so berühmte Indianerhäuptlinge kochen, braten und backen zu dürfen! Niemals hätte ich mir das träumen lassen! Also, gute Nacht!“
Sie zog sich in ihre Wohnung zurück, und ich schlief wieder ein. Als ich erwachte, war es schon später Morgen, und auf meiner Decke lag ein vom Herzle geschriebener Zettel, dessen Zeilen folgendermaßen lauteten: „Ich bin seit 5 Uhr munter. Es geht alles prächtig. Das Essen wird großartig. Du kannst schlafen bis halb zwölf. Da komme ich, dich zu wecken. Mit dem Speisesaal bin ich fertig; er steht bereit. Solltest du eher aufwachen, so inspiziere ihn, ob vielleicht etwas fehlt. Über die Gäste haben wir nichts Bestimmtes besprochen; darum habe ich an deiner Stelle alles eingeladen, was Häuptling heißt. Ist das ein Fehler? Zu essen haben wir genug. Es gibt sogar chinesischen Tee aus gerösteten Erdbeerblättern und einen ganzen Haufen Kornsalat aus wildgewachsenen Rapunzeln. Dein Herzle.“
Das war so echt Klara! Alle Sorge nimmt sie mir ab. Ich soll womöglich nichts weiter tun als essen, trinken und schlafen, damit ich so lange wie möglich lebe. Ich stand schnell auf und rief nach Intschu-inta. Als er kam, teilte er mir mit, daß zwei Weiße da seien, die seit einer Stunde auf mich warteten.
„Zwei Weiße?“ fragte ich. „Ich denke, es ist Weißen verboten, hierher zu kommen!“
„Sie sind Freunde von Okih-tschintscha. Der hat es ihnen erlaubt.“
„Ah so! Haben sie ihre Namen genannt?“
„Ja; sie sind Brüder und heißen Enters.“
„Die kenne ich. Wo sind sie?“
„Noch im Hof. Soll ich sie heraufbringen?“
„Nein. Ich gehe hinunter. Was tut meine Frau? Wo steckt sie jetzt?“
„Noch immer in der Küche; da gebietet sie wie eine Königin; da strahlt sie wie eine Sonne, und da arbeitet sie wie das ärmste Weib eines Coyote-Indianers. Sie hat heute früh eine Gehilfin bekommen, über die sie sehr glücklich ist.“
„Wen?“
„Aschta, die unvergleichliche Frau Wakons, des berühmten Medizinmannes der Sioux. Diese hatte unten im Lager gehört, daß Old Shatterhands Squaw es übernommen habe, die Wirtin unserer heutigen Gäste zu sein, und ging sofort herauf zu ihr, um sie zu bitten, ihr helfen zu dürfen. Nun werden es zwei Wirtinnen sein, eine europäische und eine indianische, die sich vorgenommen haben, die Bedienung der Häuptlinge selbst zu überwachen. Doch schau, wer kommt da unten?“
Wir standen am Fenster. Er zeigte nach der Unterstadt. Dort war ein Zug von vielleicht hundert Indianern angekommen, in Leder gekleidet und wie es schien, sehr gut beritten. Welchem Stamm sie angehörten, konnten wir nicht erkennen. Sie hielten sich dort nicht auf, sondern wendeten sich nach der oberen Stadt. Eine hochgewachsene, stolz zu Pferd sitzende Gestalt ritt ihnen voran. Ich hatte keine Zeit, sie weiter zu beobachten, denn die Brüder Enters warteten auf mich. Als ich in den Hof kam, hatten sie sich, um möglichst wenig beachtet zu werden, in einen abgelegenen Winkel zurückgezogen. Hariman freute sich, mich zu sehen; das war ihm anzumerken. Sebulon war zurückhaltender wie immer.
„Ihr seid gewiß überrascht, uns hier zu sehen, Mr. Burton“, sagte der erstere. „Wir können keine langen Reden halten, denn niemand da unten soll wissen, daß wir mit Euch verkehren. Warum habt ihr Euch am ‚Dunklen Wasser‘ nicht von uns sehen lassen?“
„Weil wir schneller fort mußten, als wir gedacht hatten“, antwortete ich. „Sind die vier Stämme noch dort?“
„Heut' nicht mehr; sie sind unterwegs. Sie kommen in drei Tagen hier an.“
„Wie stark?“
„Über viertausend Reiter.“
„Wo verstecken sie sich?“
„In einem fern von hier liegenden Tal, welches das ‚Tal der Höhle‘ heißt.“
„Kennt Ihr es?“
„Nein. Wir werden es aber heut schon aufsuchen, um später zu wissen, woran wir sind. Die Hauptsache war, uns bei Euch
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