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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Welch eine Katastrophe stand uns da allen bevor! Indem ich das dachte, kam das Herzle zurück. Sie hatte den Ingenieur ausgefragt. Es handelte sich einstweilen nur um eine Probebeleuchtung, die morgen abend vorgenommen werden sollte. Man hatte vor, alle Anwesenden hierzu zu laden.
    „Und was sollte der riesenhafte Projektionsapparat?“ fragte ich.
    „Er enthält die Bilder von Young Surehand und Young Apanatschka, welche auf der Spiegelfläche des Wasserfalles zu beiden Seiten des Denkmales erscheinen sollen. Die Schöpfer der Winnetougestalt, rechts und links neben ihrem Werk!“
    „Das dulde ich nicht!“ rief ich aus.
    „Was willst du dagegen machen?“ fragte sie.
    „Es verbieten! Das genügt!“
    „Ja, allerdings! Selbst wenn man deinen Willen nicht respektieren wollte, würdest du ihm Nachdruck zu geben verstehen. Aber bedenke, es ist nur erst zu Probe! Ist es nicht ratsam, diese Probe ungestört vorüber zu lassen, um zu warten, bis sie zu wirklichen Ausführung kommen soll?“
    „Ja, vielleicht ist das richtiger. Aber ich glaube, wir haben diese Sache nicht mehr in unseren Händen. Es hat sich eine Gewalt ihrer angenommen, der wir nicht gewachsen sind.“
    „Wie meinst du das?“
    „Schau genau hin, und sag: Steht die Figur gerade oder schief?“
    Sie prüfte und antwortete dann:
    „Sie steht gerade. Man wird sie doch wohl nicht schief aufstellen!“
    „Absichtlich gewiß nicht. Aber sie steht dennoch schief. Du merkst das nicht, weil dein Auge nicht so geübt ist wie das meine und weil die Abweichung von der senkrechten Linie noch nicht so bedeutend ist, daß sie dir notwendigerweise auffallen müßte. Vergleiche einmal genau mit der Fallrichtung des Wassers, und sag mir –“
    Da fiel sie mir in die Rede:
    „Sie steht schief, ja sie steht schief! Herrgott! Welch ein Gedanke! Meinst du, daß sie versinkt?“
    „Ob ja oder nein, das kann man jetzt noch nicht sagen. Man hat abzuwarten, ob und wie sehr die Abweichung steigt. Heut hab ich keine Zeit. Aber morgen werde ich hinunter in die Höhle steigen, um nachzusehen, ob die Decke noch bröckelt.“
    „Ist das nicht lebensgefährlich?“
    „Nein“.
    „Aber du hältst es doch für möglich, daß alles zusammenbricht!“
    „Nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich. Aber so schnell, daß der Zusammenbruch schon heute oder morgen erfolgt, geschieht das nicht. Da müßte die Senkung vorher eine bedeutend größere werden. Aber bitte, halte alles geheim!“
    „Gegen jedermann?“
    „Ja“.
    „Auch gegen Tatellah-Satah?“
    „Auch gegen ihn. Ich möchte diese Situation allein beherrschen. Es soll mir kein anderer dreinkommen und mich stören oder die Sache gar verderben!“
    „Weißt du aber, was du da auf dich nimmst?“
    „Ja. Es ist viel, sehr viel. Aber ich glaube, es verantworten zu können. Doch nun komm, Herzle! Wir müssen heim. Ich darf keine Minute zu spät zum Kampf erscheinen.“
    „Leider bin ich da nicht ganz ohne alle Sorge!“ seufzte sie.
    „Das ist überflüssig, vollständig überflüssig. Du hast viel mehr Veranlassung, zu lächeln, als bange zu sein!“
    Als wir droben auf dem Schloß angekommen waren, ließ Tatellah-Satah uns sagen, daß er uns abholen werde. Von den Häuptlingen kam ein Bote, der mir meldete, daß auch sie sich einstellen würden, um mich hinunter zu begleiten. Ich ließ sie aber bitten, dies nicht zu tun, die Sache sei einer solchen Mühe gar nicht wert. Ich war verpflichtet, bei dieser Gelegenheit den Häuptlingsanzug zu tragen, und lud den Henrystutzen, obgleich ich annahm, daß es wahrscheinlich zu keinem einzigen Schuß kommen werde. Die vier Medizinen durfte ich nicht tragen. Das Herzle nahm sie in ihren Reisepompadour. Sie wollte, an meiner Seite sitzend, in dieser Weise an dem Zweikampf teilnehmen. Ich hatte nichts dagegen. Als die Zeit da war und wir in den Hof kamen, wo Intschu-inta unsere Pferde bereit hielt, fanden wir den ‚Jungen Adler‘ und unseren alten Pappermann vor, die es sich nicht nehmen ließen, mich nach dem Platz meines hoffentlichen Sieges zu begleiten. Zu gleicher Zeit erschien Tatellah-Satah auf seinem weißen Maultier, ganz allein. Da setzten wir uns in Bewegung. Der ‚Bewahrer der großen Medizin‘, das Herzle und ich voran, der ‚Junge Adler‘ und Pappermann hinterdrein.
    Wir sahen schon von oben, daß alles, was in der Ober- und der Unterstadt bisher zerstreut gewesen war, sich jetzt um den Kampfplatz eng zusammengezogen hatte. Es war eine

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