04 - Winnetou IV
Versammlung vieler, vieler Menschen, doch gab es keine Spur jener bekannten Unzuträglichkeiten, die bei Zusammenhäufungen sogenannter ‚zivilisierter‘ Mengen unvermeidlich zu sein scheinen. Jedermann war schon da. Kein einziger, der hatte kommen wollen, fehlte. Wir waren die letzten, die allerletzten.
Meine vier Gegner saßen bereit. Als wir in den Kreis traten, standen sie auf. Nur Tangua blieb sitzen, denn er konnte nicht stehen. Tatellah-Satah hatte seinen Sitz so bestellt, daß er dann grad hinter mir saß und die vier Häuptlinge scharf im Auge hatte. Es wurde mir gesagt, daß der erste Vorsitzende des Komitees eine Rede halten werde. Hierauf werde jeder der vier Häuptlinge auch eine Rede halten. Zuletzt habe meine Rede zu kommen, worauf dann der Kampf beginnen könne. Da trat ich vor und äußerte mich so laut, daß jedermann, der im Kreis saß, es hören konnte:
„Old Shatterhand ist nicht gekommen, um zu reden, sondern um zu kämpfen. Wenn die Gefahr naht, reißt nur die Furchtsamkeit den Mund weit auf; der Mutige aber schweigt und handelt. Von all diesen Reden ist zwischen mir und Pida kein Wort erwähnt worden. Ich gestatte nur das, worauf ich eingegangen bin!“
Da vollführte der ‚erste Vorsitzende des Komitees‘ eine große, imponierend sein sollende Armbewegung und begann:
„Es wurde vom Komitee beschlossen, daß ich zu sprechen habe, und was vom Komitee beschlossen worden ist, das werde ich – – –“
„Schweig!“ donnerte ich ihn an. „Beschlossen worden ist nur zwischen Pida und mir! Euer Komitee ist für mich nicht vorhanden. Dich dulde ich nur. Ich habe erlaubt, daß du die Schüsse der Häuptlinge und genau eine Minute darauf auch die meinigen kommandierst. Mehr ist dir nicht gestattet!“
„Aber ich stehe doch nicht etwa hier, um – – –.“
„Wenn du nicht stehen willst, so setze dich!“ unterbrach ich ihn, indem ich schnell auf ihn zuschritt und ihn mit einem Griff und einem Druck auf die Erde niedersetzte, wo er ganz erschrocken eine Weile sitzen blieb. Dann fuhr ich in demselben lauten, energischen Ton fort:
„Ich habe mit Pida meine berühmten Brüder Schahko Matto und Wagare-Tey gewählt, sich die Bedingungen des Kampfes genau zu merken und darauf zu sehen, daß sie ehrlich eingehalten werden. Sie mögen jetzt sprechen und diese Bedingungen aufzählen!“
Sie standen von ihren Sitzen auf und taten dies. Zwar hatten meine vier Gegner ihren William Evening und ihren Antonius Paper zu dem gleichen Zweck gewählt, aber es fiel mir gar nicht ein, dazu beizutragen, daß diese überhaupt in Aktion zu treten hatten. Darum ließ ich durch Schahko Matto und Wagare-Tey auch gleich die Lose besorgen, und die vier Häuptlinge fügten sich dem allem mit innerem Behagen, weil sie überzeugt waren, daß dies doch sicher meine allerletzte Willensverschwendung in diesem Leben sei. Das Los ergab, daß meine Gegner in folgender Reihe auf mich zu schießen hatten: Tusahga Saritsch, To-kei-chun, Kiktahan Schonka und Tangua. Sie nahmen in dieser Reihenfolge in einem Halbkreis meinem Sitz gegenüber Platz. Sie waren alle mit Doppelgewehren versehen, und in ihren Minen glänzte das Bewußtsein des sicheren Sieges. Ehe ich meinen Platz einnahm, ging ich nach der Stelle, wo Avaht-Niah, der hundertzwanzigjährige Häuptling der Schoschonen, saß. Ich beugte mich zu ihm nieder, küßte ihm die alte Hand und sprach:
„Du bist der Älteste von allen, die hier atmen. Auf deinem Haupt ruht der Segen und die Liebe des großen Geistes, der dich nicht hierher geleitet hat, um das Blut derer, die dir lieb sind, fließen zu sehen. Du bist der Weiseste und der Erfahrenste von uns allen. Du wirst der erste sein, der aus dem Kampf, zu dem ich hier gezwungen werde, ersieht, daß jeder Kampf zwischen den Menschenkindern nichts weiter als eine Torheit ist, über die man lachen könnte, wenn ihre Folgen nicht so traurig wären.“
Er zog als Gegengruß nun auch meine Hand an seine Lippen und antwortete:
„Old Shatterhand mag uns diese Torheit zeigen, damit die, welche nach uns kommen, nicht mehr tun, was ihre Ahnen taten. Der Sieg sei dein!“
Nun ging ich zu der mir angewiesenen Stelle und setzte mich. Das Herzle ließ sich neben mir nieder. Da brauste Kiktahan Schonka zornig auf:
„Was soll die Squaw unter Kriegern? Fort, fort mit ihr!“
„Fürchtest du dich vor einer Squaw?“ antwortete ich. „Dann geh! Sie aber fürchtet sich nicht; sie bleibt!“
„Ist Old Shatterhand ein
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