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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hell und froh, als er, die Hand zum zweiten Mal erhebend, sagte:
    „Warum schießt Tusahga Saritsch nicht? Und warum wird das Kommando für Old Shatterhand nicht gegeben? Er hat nur eine einzige Minute zu warten, länger nicht! Beginnen wir noch einmal! Old Shatterhand ergreife sein Gewehr!“
    Das tat ich. Das Kommando für meinen Gegner erscholl zum zweiten Mal. Er schrie auf:
    „Ich kann nicht schießen! Ich darf nicht schießen! Wer seine eigene Medizin erschießt, erschießt sein ewiges Leben!“
    „Die Minute ist vorüber!“ rief Tatellah-Satah.
    Da ertönte das Kommando für mich.
    „Tusahga Saritsch, fahre in die ewigen Jagdgründe!“ sagte ich und richtete den Lauf meines Stutzens auf seine Brust.
    „Uff, uff!“ brüllte er, so laut er brüllen konnte, sprang auf und rannte davon.
    „Gott sei Dank!“ raunte mir das Herzle zu. „Nun wird mir erst wieder wohl! Ich glaubte an dich und hatte trotzdem Angst!“
    Es war lächerlich, den alten Häuptling mit der Schnelligkeit eines jungen Burschen davonspringen zu sehen; aber niemand lachte. Nach den alten, früher geltenden Gesetzen der Prärie war er nun ehrlos. Er hätte sich von mir erschießen lassen müssen.
    Mein nächster Gegner war To-kei-chun. Der machte ein ganz eigenartiges, gar nicht zu beschreibendes Gesicht. Er wußte, daß und wo die vier Medizinen zusammengelegen hatten. Hatte ich die eine, so hatte ich höchstwahrscheinlich auch die andern, also auch die seine. Ich ließ ihn auch gar nicht lange in Ungewißheit. Ich ließ mir vom Herzle seine Medizin über die vorige hängen und meldete dann:
    „To-kei-chun, der Häuptling der Racurroh-Komantschen, ist am Schuß. Ich bin bereit!“
    Ich sah, daß ihm vor Entsetzen der Atem ausging. Er schnappte nach Luft. Seine Augen wurden klein und naß.
    „Ist To-kei-chun fertig?“ fragte Tatellah-Satah.
    „Nein! Ich bin nicht fertig!“ schrie der Gefragte, sprang auf und eilte ebenso schnell davon wie Tusahga Saritsch vorher.
    Jetzt begann man schon zu lächeln.
    „Nun kommt Kiktahan Schonka, Häuptling der Sioux“, sagte ich.
    Der aber fuhr mich in seinem grimmigsten Ton an:
    „Old Shatterhand ist ein räudiger Hund, ein Schuft, ein Schurke. Er stiehlt Medizinen! Hat er auch die meine?“
    „Ja“, antwortete ich und ließ sie mir von meiner Frau auf die beiden anderen hängen, doch nur den Gürtel.
    Er sah das, grinste mich höhnisch an und fragte:
    „Glaubt Old Shatterhand etwa, daß auch ich ausreiße? Meine Kugel wird ihn sicher treffen, denn halbe Medizinen wirken nicht. Die Hälfte fehlt.“
    „Die Medizinen, die ich habe, sind nicht halb, sondern ganz“, behauptete ich.
    „Nein!“ widersprach er. „Sie fehlt!“
    „Sie fehlt nicht! Sie ist hier. Kiktahan Schonka mag sich überzeugen!“
    Ich ließ mir die Hundepfötchen geben, hielt sie so, daß er sie deutlich sehen konnte, und hing sie dann dahin, wohin sie gehörten.
    Er war zunächst starr vor Schreck. Dann zischte er mich in unbeschreiblich gehässiger Weise an:
    „Sind räudige Hunde allmächtig? Wer gab dir das, was ich verloren habe?“
    „Niemand gab es mir. Ich habe es gefunden.“
    „Wo?“
    „Auf den Stufen der Teufelskanzel, auf welcher die Häuptlinge der Sioux und der Utahs sich über ihren Zug nach dem Mount Winnetou besprachen. Sie warteten dort auf Old Shatterhand, um ihn zu fangen. Während sie miteinander sprachen, erscholl die Stimme des großen Geistes. Sie erschraken und ergriffen die Flucht. Auf dieser Flucht verlorst du deine Skalpperücke und deine halbe Medizin. Die Perücke wurde dir nachgetragen. Die halbe Medizin aber steckte ich zu mir, um sie nun jetzt zur anderen Hälfte zu fügen.“
    „So hast du uns belauscht? Dort auf der Teufelskanzel?“
    „Ja.“
    „Uff, uff!“
    Er sah aus, als ob er sterben wolle. Er sank in sich zusammen, und zwar so sehr, daß sein Gesicht auf die Knie zu liegen kam.
    „Ich bin bereit zum Kampf“, meldete ich dem ‚Bewahrer der großen Medizin‘.
    Dieser fragte:
    „Ist Kiktahan Schonka auch bereit?“
    Da hob der Genannte den Kopf empor, schaute nach seinen Leuten aus und gab ihnen einen Wink. Zwei von ihnen kamen herbei.
    „Hebt mich auf und führt mich fort!“ befahl er ihnen.
    Sie taten es, halfen ihm auf sein Pferd und schritten dann nebenher, um ihn zu stützen.
    Nun war nur noch Tangua, der Vater Pidas, übrig, der allergrimmigste und unversöhnlichste meiner Feinde. Er saß gelähmt an der Erde und hielt die Augen geschlossen, das Doppelgewehr

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