04 - Winnetou IV
Weib geworden, daß er die Beleidigung nicht fühlt, die ich als Krieger fühle?“ fragte er.
„Als Krieger? Pshaw! Du fragst, was meine Squaw unter Kriegern sollte? Glaubst du wirklich, daß ihr Krieger seid? Alte Weiber seid ihr, weiter nichts! Darum habe ich alle eure Bedingungen angenommen, ohne sie genauer zu betrachten. Es fällt Old Shatterhand nicht ein, mit euch zu kämpfen, denn er ist ein Mann. Er brachte euch seine Squaw, von der eine einzige Handbewegung genügt, einen jeden von euch zu vernichten. Fürchtet ihr euch vor ihr, so geht!“
„Sie bleibe!“ rief Kiktahan Schonka ergrimmt. „Aber meine erste Kugel gilt dir, meine zweite ihr!“
„Ja, sie bleibe, sie bleibe! Sie falle und sterbe mit ihm!“ stimmten die drei anderen bei. „Der Kampf beginne!“
Wir fünf Duellanten saßen in der Mitte des abgesteckten Platzes. Unsere Beigeordneten befanden sich in nächster Nähe. Tatellah-Satah saß, wie schon erwähnt, direkt hinter mir. Den ersten großen Kreis um uns bildeten die anwesenden Häuptlinge. Auch die zwölf Apatschenhäuptlinge waren da. Hinter ihnen kamen die Unterhäuptlinge und sonstigen Personen, welche eine Art von Rang besaßen. Und weiter hinaus gab es die gewöhnlichen Leute. Unter diesen fielen besonders die schon einmal erwähnten Arbeiter auf, welche in den Steinbrüchen und am Denkmalbau beschäftigt waren. Sie hatten ihre Arbeit verlassen, um das Schauspiel des Kampfes zu genießen, und betrugen sich als echte Rowdies, obgleich sie in Gegenwart so vieler Häuptlinge es nicht wagten, besonders laut zu werden. Bei den Häuptlingen saßen neben Kolma Putschi und den beiden Aschtas noch zwei andere Frauen, deren Gegenwart mir wichtig war, nämlich Pidas Frau und ihre Schwester, die jetzt weibliche Kleidung trug. Beide hatten es also durchgesetzt, mit nach dem Mount Winnetou genommen zu werden. Daß sie sich mit hier befanden, war für mich der sicherste Beweis, daß die viertausend Reiter sich unten in dem ‚Tal der Höhle‘ eingestellt hatten.
Daß die Augen aller dieser Menschen mit größter Spannung auf uns gerichtet waren, versteht sich ganz von selbst. Der Herr ‚Vorsitzende des Komitees‘, den ich niedergesetzt hatte, besann sich jetzt seines Amtes. Er stand auf und stellte sich bereit, die Schüsse zu kommandieren. Schahko Matto und Wagare-Tey zogen ihre Revolver, spannten sie und versicherten drohend, daß sie jeden meiner vier Gegner, der etwas Nichterlaubtes tue, augenblicklich niederschießen würden. Sie waren fest entschlossen, diese Drohung auszuführen. Und nun ergriff auch Tatellah-Satah das Wort. Er sprach:
„Jeder Teil des vierfachen Kampfes kann erst dann beginnen, wenn ich die Hand erhebe, nicht eher. Wer die Schüsse kommandiert, darf dies nicht eher tun, als bis er mein Zeichen gesehen hat. Der erste ist Tusahga Saritsch, der Häuptling der Kapote-Utahs. Ist er bereit?“
Der Gefragte spannte sein Gewehr und antwortete:
„Ich bin bereit. Nun mag Old Shatterhand beweisen, daß eine einzige Handbewegung seiner Squaw genügt, einen jeden von uns zu vernichten. Sie tue das!“
Ich nickte dem Herzle zu. Schnell nahm sie die Medizin dieses meines ersten Gegners aus dem Reisepompadour und hing sie mir um den Hals. Mein Herz wurde von ihr bedeckt. Hierauf meldete ich dem ‚Bewahrer der großen Medizin‘:
„Auch ich bin bereit. Der Kampf kann beginnen. Tusahga Saritsch mag schießen! Eine Minute später dann ich!“
Alles war still. Jedermann schaute auf den Beutel, den meine Frau mir umgehängt hatte. Niemand wußte sogleich, warum dies geschehen war. Da befahl Tatellah-Satah:
„Die Zeit ist da. Es beginne!“
Sofort erscholl das Kommandowort des Komiteevorsitzenden . Aber Tusahga Saritsch schoß nicht. Er hatte das Gewehr zwar in der Hand, aber er hielt es gesenkt. Seine weit aufgerissenen Augen waren mit dem Ausdruck des Schreckens und der wachsenden Angst auf meine Brust gerichtet.
„Meine Medizin! Meine Medizin!“ stammelte er.
„Schieß!“ rief ich ihm zu.
„Auf meine eigene Medizin schießen?“ jammerte er. „Wo hast du sie her? Wer gab sie dir?“
„Frag nicht, schieß!“ forderte ich ihn zum zweiten Mal auf.
Da ging es wie ein lauter, erlösender Atemzug über die Menge hin, in deren Mitte wir saßen. Man konnte zwar noch nicht begreifen, aber man sah nun doch, daß ich keineswegs so schutzlos war, wie man angenommen hatte. Und die Gesichter meiner Freunde erhellten sich Zusehens. Und die Stimme Tatellah-Satahs klang
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