04 - Winnetou IV
allein!“
„Beweis, Beweis!“ lachte Sebulon. „Dieser Mr. Burton hat sich vor dreißig Jahren geholt, was ihm gehörte. Das Testament. Alles andere ließ er liegen; es war nicht sein! Heut habe ich es gefunden. Ein Fund wie jeder andere Präriefund. Nach dem Gesetz des Westens gehört er dem Finder, also mir, nur mir!“
„Falsch, grundfalsch!“ widersprach Hariman. „Was wußtest du von diesem Schatz? Mr. Burton aber kannte ihn. Er wollte ihn holen, wollte graben. Er bat um unsere Spaten. Du hast ihm nicht nur deinen Spaten, sondern auch deine Arme, deine Arbeitskraft geliehen. Du grubst in seinem Namen; du grubst für ihn. So ist es; so steht es, und niemand kann es ändern.“
„So? So?“ zischte Sebulon. „Das sagst du, mein eigener Bruder! Woher weißt du, daß ich für ihn gegraben habe, nicht aber für mich, für mich? Hast du das etwa von mir gehört? Nein! Oder von ihm? Nein! Er hat ruhig zugesehen, als ich arbeitete, und nicht gesagt, daß es für ihn sein soll. Und als er an das Loch kam, um hinabzuschauen, und ich ihn fortwies, da hat er gehorcht; da hat er sich entfernt, ohne auch nur den allergeringsten Anspruch auf das zu erheben, was sich in dem Loch befand. Verstanden? Diese fünf Schatzgefäße sind also mein Eigentum. Und ich will den sehen, der den Mut besitzt, sie mir streitig machen zu wollen! Jetzt hilf! Ich will sie öffnen!“
Das Herzle sah mich besorgt und fragend an. Ich antwortete leise:
„Warten wir, was sich drin befindet. Auf keinen Fall ist es Gold.“
„Vielleicht doch.“
„Nein. Ich habe aufgepaßt. Für Gold war es nicht schwer genug. Nur Geduld!“
Die Tongefäße waren von quadratischer Gestalt, von blaubrauner Farbe und mit indianischen Figuren verziert. Man erkannte sie sofort und auch schon von weitem als gebrannte Töpferarbeiten aus einem Moqui - oder Zuni -Dorf. Sie waren aus einem oberen und einem unteren Teil zusammengesetzt, der erstere auf den letzteren gestülpt, die Verbindungslinie mit einem Kitt überzogen, der keine Feuchtigkeit hindurchließ. Außerdem waren sie noch mit starken, geölten Bastschnüren umwickelt und verknotet. Ich vermutete auch aus diesem Grund, daß der Inhalt kein Metall, sondern irgendein Gegenstand sei, der vor allen Dingen vor Feuchtigkeit zu beschützen gewesen war.
„Also komm und hilf!“ forderte Sebulon seinen Bruder nochmals auf. „Aber nimm dich in acht, daß wir nichts zerbrechen!“
Sie setzten sich miteinander zu den Gefäßen nieder und begannen, zunächst die Umschnürung zu entfernen. Hariman tat dies in ruhiger und bedächtiger Weise, Sebulon aber hastig, nervös und ohne Geduld. Wie vorhin seine Arme gezittert hatten, so bebten jetzt seine Hände und Finger.
„Die verfluchten vielen Knoten!“ klagte er. „Es geht so langsam, so langsam! Und doch ist der Vater da, der Vater! Ich fühle es an der Aufregung, an der Leidenschaft, die mich zersprengen möchte. Mach schnell, mach schnell! Aber zerbrich nichts, ja nichts! Es darf kein einziger Bruch, kein Riß entstehen!“
Als die Schnüre von den ersten zwei Gefäßen entfernt waren, machten sich die beiden daran, den Kitt mit den Messern zu entfernen. Das war eine zeitraubende Arbeit, weil er sich im Verlauf der Zeit in Stein verwandelt hat. Dabei sprach Sebulon in einem fort auf seinen Bruder ein, von Silber, von Gold, von Perlen, von alten, mexikanischen, toltekischen, aztekischen oder gar altperuanischen Schmucksachen und Geschmeiden. Er bildete sich das Teuerste, das Köstlichste ein, was es gibt. Das artete nach und nach in hirnverbranntes, verrücktes Schwatzen aus, welches man eben nur des psychologischen oder vielmehr psychiatrischen Interesses wegen ertrug. Sie hielten gleichen Schritt in ihrer Arbeit. Als der eine fertig war, war es auch der andere. Jeder konnte sein Gefäß nun öffnen, tat es aber noch nicht. Die Spannung war zu groß. Man holte erst Atem.
„Rate! Was ist drin?“ rief Sebulon mit zuckenden Lippen und fast kreischender Stimme. „Gold? Diamanten …?“
„Ich rate nicht“, antwortete Hariman. „Machen wir auf!“
„Gut! Ich zähle! Eins … zwei … drrrrrrei …!“
Die beiden Deckel flogen zu gleicher Zeit auf. Jeder schaute in sein Gefäß. Jeder griff hinein, um den Inhalt herauszunehmen, aber still, ganz still. Es ertönte kein Ruf der Überraschung, der Freude oder gar des Jubels. Sie betrachteten, was sie in den Händen hielten.
„Ein Lederpaket!“ sagte endlich Sebulon.
„Ja, ein Lederpaket“,
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