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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Häslein her! Vielleicht braten wir es, vielleicht auch nicht. Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun.“
    Ich hatte die Absicht gehabt, ihnen erst später, wenn wir von hier fort waren, zu sagen, daß wir dagewesen seien, denn ich fürchtete den Einfluß dieses Ortes und seiner Erinnerungen auf ihren Seelenzustand. Oder mit anderen Worten, ich hatte psychiatrische Bedenken. Nun aber trieben mich ganz andere Gründe. Ich hatte höhere Rücksichten zu nehmen und fuhr darum fort:
    „Ich habe euch eine Entdeckung zu machen, die ich für später aufheben wollte. Ihr befindet euch nämlich über den Ort, an dem wir heut und morgen lagern werden, im Irrtum. Hier liegen nicht Kiowahäuptlinge begraben, sondern der Vater und die Schwester meines Winnetou. Der Tavuntsit-Payah ist unser Nugget-tsil.“
    Der Eindruck dieser meiner Worte war ein großer, ja ein sehr großer. Die Brüder standen still; sie bewegten sich nicht; sie sagten kein Wort.
    „Habt ihr mich verstanden?“ fragte ich.
    Da setzte Hariman sich, als ob er zu Boden falle, nieder, schlug die Hände vor das Gesicht und begann laut und bitterlich zu weinen. Nun hob Sebulon seinen finstern und doch flackernden Blick zu mir empor und fragte:
    „Ist das wahr, was Ihr sagt?“
    „Was könnte ich für einen Grund haben, euch zu belügen?“
    „ Well! Wir glauben Euch! Das sind also die Gräber von Intschu tschuna und Nscho-tschi?“
    „Ja.“
    „Deren Mörder unser Vater war?“
    „Euer Vater, ja, kein anderer.“
    „Erlaubt, daß ich mir die Gräber betrachte.“
    Er ging zunächst zum Grab des Häuptlings und dann zu dem seiner Tochter. Er nahm sie sehr eingehend in Augenschein. Er schien innerlich ruhig zu sein; aber ich sah, daß er, wenn er sich bewegte, wankte. Es war, als ob er auf einem hohen Turmseil gehe und sich heimlich bemühe, die Balance nicht zu verlieren. Dann ging er langsam wieder dahin zurück, wo der Hase lag. Er stieß ihn mit dem Fuß an und sagte in leise knirschendem Ton:
    „Auch nur so ein armes Häschen! Wir! Grad wie damals Gates und Clay. Ihr seht, Mr. Burton, daß ich alles gelesen und mir alles gemerkt habe, sogar das mit dem Hasen und den alten Tauben, die niemand genießen konnte. Ich möchte Euch bitten, uns einen Dienst, einen Liebesdienst zu erweisen.“
    „Welchen?“
    „Uns zwei Bilder aus der Vergangenheit dieses Ortes zu zeigen, die zwei für uns wichtigsten Bilder. Versteht Ihr mich?“
    „Ich verstehe. Ihr wünscht, daß wir uns jetzt auf die Pferde setzen und ich euch herumführe, um euch alles zu zeigen, was damals geschehen ist, zum ersten Mal, als Intschu tschuna mit seiner Tochter erschossen wurde, und zum zweiten Mal, als euer Vater mir das Testament entriß?“
    „Ja, das meine ich.“
    „Das wollte ich tun, um Mrs. Burton die betreffenden Orte zu zeigen. Wollt ihr uns begleiten, so habe ich nichts dagegen. Ich denke aber, daß es besser für euch ist, darauf zu verzichten.“
    „Warum?“
    „Weil meiner Ansicht nach ein Sohn sehr starke Nerven haben muß, um einen Rundritt zu den Orten auszuhalten, an denen sein Vater solche Taten beging.“
    „Wir sind gesund, und unsere Nerven sind es auch. Also ihr wollt?“
    „Ja.“
    „Wann?“
    „Wann es euch beliebt.“
    „Also sofort! Ich habe nämlich nicht den Vorzug, sehr geduldig zu sein.“
    „Werdet es schon noch werden, wenn nicht jetzt, so doch später. Wir reiten also. Mr. Pappermann bleibt als Wache hier.“
    „Sehr gern!“ nickte der Alte. „Habe nicht die geringste Lust, mich um derartige alte Stapfen zu bekümmern!“
    Er hätte sich wohl gern noch kräftiger ausgedrückt, denn er konnte die Brüder nicht leiden, und besonders Sebulon war ihm direkt verhaßt, doch ließ er es bei dieser Andeutung bewenden. Wir anderen konnten gleich wieder aufsteigen, denn die Pferde waren noch gar nicht abgesattelt. Wir ritten den Weg, den wir gekommen waren, wieder zurück und dann südwärts bis zu dem Spring, an dem ich damals mit Winnetou, Intschu tschuna, Nscho-tschi, Sam Hawkens, Dick Stone, Will Parker und den dreißig Apatschen gelagert hatte. Das ist in Winnetou Band I zu lesen. Von da aus verfolgten wir die Wege, die ich dann teils gegangen und teils geritten war, bis die Schüsse fielen, von denen Vater und Tochter getroffen wurden. Hierdurch gewannen meine Frau und die Brüder ein klares Bild von der Ermordung derer, die mir so lieb gewesen waren. Wir waren hierbei zu unserem Zelt zurückgekommen, wo ich dann gleich an Ort und Stelle erzählen und

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