04 - Winnetou IV
Gefährliches für uns“, antwortete ich ebenso leise.
„Aber wenn er etwas findet – was dann?“
„Wenn es kein Gold oder Geldeswert ist, wird er es verschmähen.“
„Und wenn es etwas ist, was er nicht verschmäht? Dann kommt es unbedingt zum Kampf zwischen dir und ihm!“
„Zum Kampf? Keinesfalls! Laß mich nur machen, und habe keine Sorge! Es handelt sich hier um unendlich wichtige psychologische Vorgänge, die ich in dieser Weise gewiß niemals wieder zu sehen bekomme.“
„Was hast du von all diesem psychologischen Interesse, wenn du es mit dem Leben bezahlen mußt!“
„Bitte doch, sei vernünftig; sei ruhig! Es geschieht mir nichts, wirklich nichts!“
„Ich möchte es wohl glauben. Aber gib mir trotzdem einen von deinen Revolvern! Ich schieße diesen wahnwitzigen Menschen augenblicklich nieder, wenn er es wagt, die Hand an dich zu legen!“
Das war ihr ernst. Sie hatte wirklich Angst. Die Gute, der es ganz unmöglich ist, einen Wurm oder Käfer unzart zu berühren, wollte aus Liebe zu mir einen Menschen niederschießen! Ich war gerührt, verbarg dies aber und antwortete lachend:
„Liebes Kind, wenn geschossen werden soll und muß, so tue ich es selbst. Ich ziele besser als du. Und nun sei gut und …“
„Horch!“ unterbrach sie mich. „Was ist es?“
Sebulon hatte nämlich einen Ruf ausgestoßen, einen Jubelruf, und verdoppelte seine Anstrengung. Die Erde flog nur so aus dem Loch heraus! Ich trat hin, um hinabzuschauen.
„Fort, fort!“ brüllte er mich an.
„Ich will nur einen Blick hinuntertun!“ entschuldigte ich mich.
„Auch das nicht! Fort, oder ich schlage zu!“
Er hob den Spaten hoch empor und sah mich mit drohenden Augen an. Sie waren wie mit Blut unterlaufen. Ich trat zurück und fuhr in beruhigendem Ton fort:
„Darf man denn nicht einmal fragen, warum Ihr jetzt gerufen habt?“
„Das will ich Euch wohl sagen: Ich bin auf Gold gestoßen.“
„Wirklich?“
„Ja – auf etwas Hartes, Breites. Das Loch ist zu schmal. Ich muß es größer machen. Aber ich allein, ich allein! Wer mir zu nahe kommt, den schlage ich nieder, sei er, wer er sei!“
Er arbeitete weiter, ich aber kehrte an meinen Platz zurück.
„Siehst du, daß ich recht habe?“ begann das Herzle ihre Warnungen aufs neue. „Er wollte dich erschlagen!“
„Wird es aber nicht tun. Bitte, kompliziere mir die Situation nicht durch deine Angst! Du hast absolut keinen Grund, dich zu beunruhigen!“
Da beruhigte sie sich, obgleich der Eindruck, den Sebulon machte, keineswegs geeignet war, dieser Beruhigung Vorschub zu leisten. Bisher hatte er sich den Schweiß von Zeit zu Zeit abgewischt; nun tat er das nicht mehr. Die Nässe rann in großen, schweren Tropfen herunter. Das Gesicht erschien geschwollen; die Augen traten mehr und mehr hervor. Er ächzte und stöhnte, erst nur zuweilen, nun aber fast bei jedem Spatenstich. Er ermüdete. Er mußte dann und wann innehalten, um Atem zu holen. Seine Arme begannen zu zittern. Seine Bewegungen wurden ungewiß. Es war ein häßlicher, ein überaus häßlicher Anblick, den er bot. Er glich einem Dämon, einem bösen Geist, dessen Betrachtung für sterbliche Augen unerträglich ist.
Da endlich wieder ein Freudenruf! Und wieder einer und abermals einer!
„Vater, Vater, du bist hier! Du hilfst mir! Ich weiß es; ich fühle es! Ich danke dir; ich danke dir!“
Nachdem er dies im Ton des Entzückens ausgerufen hatte, wendete er sein verzerrtes Gesicht uns zu und drohte:
„Keiner darf heran, keiner! Wer es wagt, diese Schätze zu berühren, den schlage ich tot, sofort und augenblicklich tot! Merkt euch das!“
Das Loch war breit und tief geworden. Er stieg hinein. Es ging ihm bis an den Gürtel. Er bückte sich nach innen und hob etwas empor. Er legte es auf den Rand. Es war ein tönernes Gefäß. Er brachte noch eines zum Vorschein und noch eines; dann ein viertes und fünftes. Hierauf grub er noch eine Weile tiefer, stieg sodann heraus, tat einen langen, schweren Atemzug und sagte:
„Fertig! Das ist alles! Weiter gibt es nichts!“
Hariman hatte von ihm abgewendet gesessen. Jetzt drehte er sich um, sah die Gefäße, stand auf und näherte sich seinem Bruder.
„Ah, da kommst du doch!“ höhnte dieser. „Aber glaube ja nicht, daß du etwas davon bekommst! Es ist mein, alles mein, alles mein!“
„Nichts ist dein!“ antwortete Hariman.
„Wem sonst?“
„Es gehört Mr. Burton, keinem anderen. Winnetou hat es für ihn vergraben, für ihn
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