04 - Wohin die Zeit uns treibt
Whisky hatte nicht geholfen, vielleicht half ihm ein Wutanfall von ihr.
„Deine Launen werden langweilig." Er riss seine Krawatte ab und warf sie in die ungefähre Richtung des Sessels. „Komm, lass das lieber sein, es sei denn, du willst nicht hören, was ich über deinen Bruder herausgefunden habe."
Sie sah ihn an, aber es war keine Anklage oder Wut in ihrem Blick. Nicht, was er erwartet hatte, sondern Kummer und Schmerz.
„Was ist los?"
„Ich habe meinen Vater angerufen." Ihre Stimme war ruhig, kaum mehr als ein Flüstern, aber fest. Es war der Ton, der ihn zurückhielt, sie darüber auszuschimpfen, dass sie ein ungesichertes Telefon benutzt hatte. „Ich dachte, er sollte wissen, was wir herausgefunden haben. Ich wollte ihm etwas Hoffnung geben, etwas Trost." Sie schloss die Augen und wartete darauf, dass sich ihre Kraft wieder aufbaute. „Ich habe seine Krankenschwester erreicht. Sie bleibt im Haus, sieht nach dem Rechten. Er ist vor drei Tagen gestorben." Sie löste die Finger und verschränkte sie wieder. „Vor drei Tagen. Ich habe es nicht gewusst. Ich war nicht da.
Sie haben ihn heute Morgen beerdigt."
Schweigend kam er zu ihr, setzte sich neben sie, legte einen Arm um sie. Sie lehnte sich an ihn. Die Tränen kamen nicht. Sie fragte sich, warum sie sich so kalt und taub fühlte, wo doch heißer Kummer ihr Erleichterung gebracht hätte.
„Er war ganz allein, als er starb. Niemand sollte allein sterben, Terence."
„Du hast gesagt, er war krank."
„Er musste sterben. Er wusste es, und er wollte wirklich nicht so weiterleben, wie es für ihn gekommen war. Schwach und kraftlos.
Seine ganze Arbeit, sein ganzer Scharfsinn konnte ihm nicht helfen. Er wollte nur eins: dass ich Flynn nach Hause bringe, bevor er stirbt. Nun ist es zu spät."
„Du wirst Flynn immer noch nach Hause bringen."
„Er hat Flynn so geliebt. Ich war eine
Enttäuschung für ihn, aber Flynn war alles, was er wollte. Die Sorge der letzten Tage hat seinen Zustand noch verschlimmert. Ich wollte, dass er ruhig stirbt, Terence. Selbst nach allem, ich wollte, dass er einen leichten Tod hat."
„Du hast alles getan, was du konntest. Du hast gemacht, was er wollte."
„Ich habe nie getan, was er wollte." Ihre Wangen waren heiß und feucht jetzt, aber sie hatte es nicht bemerkt. „Er hat es mir nie vergeben, dass ich nach Amerika gegangen bin, ihn verlassen habe. Er hat es nie verstanden, dass ich atmen musste, nach einem eigenen Leben suchen musste. Er hat nur verstanden, dass ich wegging, ihn zurückstieß und seine Pläne, die er mit mir hatte. Ich habe ihn geliebt." In ihrer Stimme fing sich das erste Schluchzen. „Aber ich konnte mich ihm nie verständlich machen. Und ich werde es nie mehr können. Ich habe mich nicht einmal verabschieden können. Nicht einmal das."
Sie wehrte nicht ab, als er sie an sich zog, sie wiegte, sie streichelte, sie beruhigte. Er sprach nicht, hielt sie nur, während die Tränen kamen, schnell und heftig. Er verstand Kummer, dessen Wut und Schmerz, und er wusste, es waren nicht die Worte, die beides eindämmten. Es war die Zeit. Er zog sie an sich und legte sich mit ihr ruhig hin, während sie die ersten Schmerzen hinausweinte.
Er verstand ihr Schuldgefühl. Er und Gillian waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber er hatte das Gleiche erlebt. Auch er hatte einen Vater gehabt, der Pläne gemacht hatte, der nicht verstehen konnte und nicht vergeben hatte. Und er wusste, Schuldgefühl machte Kummer nur noch
schmerzhafter.
Er streifte mit den Lippen über ihre Schläfe und hielt sie fest.
Als sie ruhig geworden war, fuhr er fort, über ihr Haar zu streicheln. Das Tageslicht kam noch grell durchs Fenster. Er wollte die Vorhänge vorziehen und richtete sich auf. Gillian verstärkte ihren Griff.
„Geh nicht", murmelte sie. „Ich will nicht allein sein."
„Ich schließe die Vorhänge. Vielleicht kannst du schlafen."
„Bleib einfach noch etwas bei mir." Sie fuhr sich mit der Hand
übers Gesicht und wischte die Tränen weg.
Emotionale Ausbrüche waren etwas, zu dem sie immer neigte, und auch das hatte ihr Vater nie verstanden. „Er war ein harter Mann, mein Vater, besonders nachdem meine Mutter gestorben war.
Sie wusste, wie man ihn nehmen musste. Ich konnte es nicht." Sie holte tief Luft und schloss wieder die Augen. „Flynn und Caitlin sind die einzigen Angehörigen, die mir noch geblieben sind. Ich muss sie finden, Terence. Sie müssen in Sicherheit kommen."
„Ich habe eine
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