040 - Ein Monster namens Charlie
Laufe der Zeit noch dahinterkommen, daß es viele schlechte Menschen auf der Welt gibt, mein Kind. Man kann sich gar nicht genug vor ihnen in acht nehmen. Glaube mir, ich spreche aus Erfahrung.«
Sie lachte. »Ja, ja, du bist auch schon so schrecklich alt. Du könntest selbst Methusalem um Zigaretten schicken.«
Er blieb ernst. »Erlaube mir, dich rund um die Uhr bewachen zu lassen, Emily.«
»Ist das denn wirklich nötig?«
»Ich würde bedeutend ruhiger schlafen… Es wären ausgesuchte Männer, die auf dich aufpassen würden. Du würdest sie kaum bemerken und bestimmt nicht als lästig empfinden … Solange es Menschen gibt, die nicht arbeiten, aber dennoch viel Geld haben wollen, sind wir gezwungen, solche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.«
»Na schön«, sagte Emily Fonda. »Wenn es dich beruhigt, habe ich gegen fast unsichtbare Leibwächter nichts einzuwenden, Dad.«
Er atmete erleichtert auf und meinte, daß er das Nötige gleich in die Wege leiten würde.
Nun wohnte Emily Fonda seit drei Monaten in diesem Penthouse-Atelier, und das Schutzengel-Problem hatte sich blendend eingespielt. Die Männer, die darauf achteten, daß ihr nichts zustieß, waren so gut wie unsichtbar. Emily empfand diese Schatten niemals als lästig, bewegte sich frei und ungezwungen.
Manchmal verglich sie sich mit einer Akrobatin, die in schwindelnder Höhe ihre Show abzog – und unter ihr war das Netz… Für alle Fälle …
Doch jemand hatte eine Möglichkeit gefunden, dieses Netz unwirksam zu machen…
***
Das rote Insekt kroch aus dem Buick. Downs und Brennan nickten einander grinsend zu. Spiegelglatt war die Fassade des Wolkenkratzers. Dennoch würde die Teufelsameise keine Schwierigkeiten haben, daran hochzuklettern.
Giftgrüne, böse starrende Augen hatte das Tier. Mit starken, furchteinflößenden Zangen war es ausgerüstet. Auf dünnen Beinen lief es über den Gehsteig.
»Na los, ›Charlie‹!« sagte Walter Downs leise lachend. Er hatte der Horrorameise den Namen ›Charlie‹ gegeben, spaßeshalber.
»Rauf mit dir! Emily Fonda erwartet dich sehnsüchtig!«
Vic Brennan rieb sich aufgeregt die Schenkel. »Verdammt, ich wäre zu gern dabei, wenn ›Charlie‹ im Penthouse-Atelier auftaucht. Die Gesichter der beiden Mädchen würde ich gern sehen.«
»Man kann im Leben nicht alles haben«, erwiderte Downs. »Man muß auch mal verzichten können.«
»Das hört sich komisch an aus deinem Mund, wo jeder weiß, daß du den Hals niemals vollkriegst.«
Die Killerameise stieß mit ihren langen, ständig auf und ab wippenden Fühlern gegen den glatten Marmor. Sofort standen die Fühler für einen Augenblick still. Dann richtete sich das rote Insekt auf und kletterte mühelos an der Fassade hoch.
»He’s on his way«, feixte Vic Brennan. »In Kürze wird ›Charlie‹ dort oben für Panik, Grauen und Horror sorgen.«
Walter Downs’ Augenbrauen zogen sich zusammen. »Manchmal stelle ich mir vor, ich könnte in Ungnade fallen, du weißt schon, bei wem… Mann, bei diesem Gedanken läuft es mir immer eiskalt den Rücken hinunter.«
»Warum solltest du denn in Ungnade fallen? Du bist doch ein guter Mann«, sagte Brennan.
»Ich könnte mal versagen. Vor einem Fehler ist niemand gefeit.«
»Nur wer nichts tut, macht niemals Fehler.«
»Stimmt«, sagte Downs. »Aber mach ihm das mal klar…«
Brennan gefiel dieser ernste Ton der Unterhaltung nicht. Er spürte plötzlich einen unangenehmen Kloß in seinem Hals, den er hinunterzuschlucken versuchte.
»Sieh mal, wie hoch ›Charlie‹ schon ist«, sagte er.
Die Teufelsameise hatte bereits ein Viertel ihres Weges zurückgelegt. Passanten kamen des Weges. Sie bemerkten das Horrorinsekt nicht. Brennan und Downs setzten teilnahmslose Gesichter auf.
Das Tier kroch weiter. Immer schneller schien es zu werden. Einmal blieb die Ameise kurz stehen. Neben ihr flammte in einem Raum Licht auf. Das Insekt bewegte drohend die mörderischen Zangen, und ein grausames Funkeln war in den grünen Augen zu erkennen.
Für Sekundenbruchteile verharrte das Tier, dann lief es weiter, erreichte bald die oberen Regionen des Wolkenkratzers und war mit bloßem Auge nicht mehr von unten zu sehen.
»An die Arbeit«, sagte Walter Downs und stieß den Wagenschlag auf.
Vic Brennan prüfte den Sitz seiner Pistole, die in der Schulterhalfter steckte. »Ich hätte die Sache schon gern hinter mir«, brummte er und verließ das Fahrzeug.
»Von Arbeit hast du ja noch nie viel gehalten.«
»Du
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