040 - Paris, Stadt der Sünde
leise, ohne seinen Griff zu lockern, und stieß die Tür auf.
Rohan stand in Hemdsärmeln und Kniehosen mitten im Zimmer und ließ sich von zwei Kammerdienern ankleiden. Er blickte ihr ungerührt entgegen. „Liebste Elinor.
Welch reizende Überraschung. Was führt Sie zu mir?“
„Ihr überaus beflissener Diener“, erwiderte sie schnippisch. „Und ich habe Ihnen nicht gestattet, mich beim Vornamen zu nennen.“
„Ich dachte, das wäre Ihnen lieber als Kosenamen“, gurrte er. „Aber wenn Sie zärtlichere Worte vorziehen ...“
„Bleiben Sie beim Vornamen“, wehrte sie hastig ab, da sie sich lebhaft vorstellen konnte, welche Dreistigkeiten ihm über die Lippen kommen würden. „Ich bat den Diener, mich zu meiner Schwester zu bringen, nicht hierher. Falls Lydia sich irgendwo in Ihrer Nähe aufhält, reiße ich Ihnen die Leber aus dem Leib.“
Er blinzelte. „Was für ein köstlich blutrünstiges Bild, Elinor. Würden Sie meine Leber roh verspeisen? Ich ahnte ja nicht, welch perverse Anlagen in Ihnen schlummern.“
„Wenn es um meine Schwester geht, bin ich zu allem fähig.“
„Ihre Schwester ist in Sicherheit“, erklärte er. „Du kannst sie absetzen, Antoine. Ich würde das Bett vorschlagen, aber dann zerkratzt sie dir womöglich das Gesicht. Setze sie in den grünen Fauteuil.“
Sie wurde sanft in weiche Polster niedergelassen und sprang augenblicklich wieder auf.
„Halte sie fest“, befahl Rohan mit unbewegter Stimme. „Aber tu ihr nicht weh“, fügte er hinzu, worauf der Diener sie behutsam zwang, sitzen zu bleiben. Elinor gab ihren Widerstand auf.
„Wo ist meine Schwester?“
„Abgereist, wie besprochen“, antwortete Rohan, während die beiden Kammerdiener ihm in einen reich bestickten, schimmernden Überrock halfen. „Sie müsste noch in dieser Stunde im Château eintreffen. Mrs Clarke wird sie herzlich empfangen und an ihren mütterlichen Busen drücken. Die würzige Landluft wird ihr gut bekommen, und nach Beendigung unserer Lustbarkeiten können Sie Ihr Schwesterherz glücklich in die Arme schließen und mit ihr nach England reisen.“
„Und warum durfte ich mich nicht von ihr verabschieden?“
Er lächelte dünn. „Darf ich mir die Bemerkung erlauben, weil ich Ihnen nicht traue?
Leider haben Sie ein lächerlich weiches Herz hinter Ihrer zur Schau gestellten Gelassenheit, und ich fürchte, die Tränen Ihrer Schwester hätten Ihre bewundernswerte Selbstbeherrschung ins Wanken gebracht.“
„Sie hat geweint?“ Elinor konzentrierte sich auf den wichtigsten Punkt.
„Natürlich hat sie geweint. Sie hat gerade ihre Mutter und ihre alte Kinderfrau verloren, von ihren letzten Habseligkeiten will ich gar nicht reden. Und dann wurde sie auch noch von ihrer Schwester, der einzigen Vertrauensperson, auf die sie geglaubt hatte, sich verlassen zu können, im Stich gelassen.“
Elinor ballte die Fäuste in den Falten ihrer weiten Röcke. „Wieso sollte sie denken, ich hätte sie im Stich gelassen?“
„Meine liebe Elinor, glauben Sie tatsächlich, sie hat Ihnen diese lächerliche Geschichte abgenommen, dass Sie mir als Archivarin zur Hand gehen? Ja, ich habe Sie belauschen lassen. Nein, ich bitte Sie inständig, gehen Sie nicht schon wieder auf mich los. Sie hätten sich doch denken können, dass ich Ihnen nachspioniere. Es wäre klug, mich nicht zu unterschätzen.“
Es kostete sie große Mühe, ihre Bitterkeit zu schlucken. „Diesen Rat werde ich in Zukunft beherzigen.“
Er wandte ihr den Rücken zu, um sich selbstgefällig im Spiegel zu betrachten. „Ihre Schwester ist wesentlich gewitzter, als Sie denken“, murmelte er. „Im Moment überschlägt ihre Fantasie sich geradezu in wilden Spekulationen, in welch sündige Machenschaften ich Sie verwickeln könnte. Sie werden ihr einen ausführlichen Brief schreiben müssen, um sie zu beschwichtigen. Aber Mrs Clarke wird es zweifellos schaffen, sie aufzuheitern und ihr Mut zuzusprechen. Die Gute würde es sogar schaffen, den Satan zu beschwichtigen.“
„Beschwichtigt Mrs Clarke auch Sie?“
Er lachte leise. „Oh nein, meine Teuerste. Ich bin nicht der Satan. Nur einer seiner gefallenen Engel.“ Er winkte ab, als ein Kammerdiener sich mit einer Allongeperücke näherte. Stattdessen ließ er sich seine schwarzen, von Silberfäden durchzogenen Locken zu einem Nackenzopf flechten. Der zweite Kammerdiener steckte ihm unterdessen an jeden seiner eleganten bleichen Finger einen funkelnden Ring.
Nachdem Rohan sich kurz an
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