0401 - Dem Henker ins Handwerk gepfuscht
bekommen?«, fragte ich.
»Jemand spielte mir einen Kassiber zu.«
»Wer?«
Er peilte mich unter den Augenbrauen her an. »Ist das so wichtig? Der Junge ist vollkommen harmlos. Wie er zu dem Kassiber kam, kann ich euch nicht sagen. Auf jeden Fall war die Nachricht in meinen Händen. Es war ein Zettel aus Packpapier. Darauf stand geschrieben: ›Wenn es dir gelingt, dass der Galgen versagt und Potter gerettet wird, zahlt dir B. S. 10 000 Dollar.‹ Das war alles. Wir hatten gerade mit dem Bau des Gerüstes begonnen.«
»Weißt du, wer B. S. ist?«, schaltete sich Phil ein.
»Baron Samedi«, erwiderte Cäsar. »Soll ein großer Boss sein, wie ich gehört habe. Darum habe ich auch keine Bange, dass er das Geld nicht zahlt.«
»Er muss also gewusst haben, dass du ein ausgezeichneter Schreiner bist.«
Cäsar richtete sich auf. »Ich war eine Kanone in meinem Fach«, erklärte er stolz. »Und ich werde es auch wieder sein. Mit dem Geld von Baron Samedi.«
»Und wer hat dir den Kassiber zugesteckt? Ich will mir den Burschen mal ansehen, dann kann ich ja sehen, ob er wirklich so harmlos ist.«
»Es hat keinen Zweck, G-man. Ich sag’s euch nicht.«
Ich wandte mich an den Wärter. »Ich möchte jetzt Gerald Potter sehen. Zu Cäsar kommen wir noch zurück.«
***
Zehn Minuten später standen wir mit einem Wärter vor der Zellentür, die in Gerald Potters Kammer führte.
Der Schlüsselbund rasselte, als der Wärter die Tür aufschloss.
Wir betraten den schmalen halbdunklen Raum. Das Fenster war direkt unterhalb der Decke angebracht.
Gerald Potter lag angezogen auf dem Klappbett. Er rührte sich nicht, als wir an das Bett traten. Seine Augen blieben geschlossen.
»Potter«, rief der Wärter. »Hier sind zwei G-men, die dich sprechen wollen.«
Der Haitianer auf dem Bett reagierte nicht. Seine Arme lagen starr ausgestreckt neben dem Körper.
»Die Nerven möchte ich haben«, brummte der Wärter. »Heute Morgen stieg er zum Galgen, jetzt schläft er, als wäre nichts geschehen.«
»Komm hoch, Potter.« Der Wärter rüttelte ihn an der Schulter.
Der schmale Körper des Haitianers schwappte auf der Matratze leicht hin und her.
Ich stutzte, beugte mich zu Potter hinunter und griff seine Hand. Sie war eiskalt.
Der Puls war nicht mehr zu fühlen.
Phil legte ein Ohr auf die Brust. »Das Herz schlägt nicht mehr«, sagte er. Er drückte die Augenlider hoch. »Potter ist tot.«
»Holen Sie sofort den Gefängnisarzt«, wies ich den Wärter an. »Wir bleiben so lange hier in der Zelle.«
Phil und ich sahen uns den Toten genauer an, soweit das, bei dem in der Zelle herrschenden Halbdunkel, möglich war. Es waren keine Spuren von Gewaltanwendung zu entdecken.
»Vermutlich hat er Gift geschluckt«, meinte ich.
»Wie sollte er an Gift gekommen sein?«, fragte Phil.
»Genau, wie Cäsar den Kassiber von Baron Samedi bekommen hat«, erwiderte ich.
»Das ist doch absurd«, hielt Phil mir entgegen. »Heute Morgen ist er dem Galgentod entwischt, und am Nachmittag soll er sich vergiftet haben?«
»Vielleicht hat man ihn vergiftet«, meinte ich. »Ohne, dass er es wusste.«
Er schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unsinnig. Dieser Samedi hat ihn vor dem Galgen gerettet, und jetzt soll er Potter vergiftet haben?«
»Wer hat denn behauptet, dass Baron Samedi seine Hand bei Potters Vergiftung im Spiel gehabt hat? Es kann doch jemand anders gewesen sein, der ihn auf diese Art beseitigen wollte.«
Im gleichen Augenblick rasselte der Schlüssel in der Tür. Ein mittelgroßer Mann im weißen Kittel stürzte in die Zelle. Hinter ihm kamen McArthur und der Wärter.
Der Doc untersuchte Potter. Dann kam er hoch, drehte sich zu uns, und meinte mit fester Stimme: »Gerald Potter ist tot, Gentlemen. Er ist an einem Herzschlag gestorben.«
Ich teilte ihm meinen Verdacht mit.
»Für eine Vergiftung liegen keine Anzeichen vor«, erklärte der Doc. »Er stand unter meiner persönlichen Kontrolle, und ich weiß, dass er seit heute Morgen nichts zu sich genommen hat.«
»Ich finde Potters Tod trotzdem sehr merkwürdig«, sagte ich. »Es war doch immerhin eine starke seelische Belastung für ihn, als er zum Galgen geführt wurde. Warum ist er da nicht zusammengebrochen, wenn er schon ein schwaches Herz hatte?«
»Vielleicht hat sich diese Tortur erst später ausgewirkt. Das ist durchaus möglich. Sie sind Autofahrer, nicht wahr? Sie geraten auf der Straße in eine gefährliche Situation. Im Augenblick der Gefahr reagieren Sie
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