0402 - Ein G-man starb in Halle 3
eingelegte Sicherheitskette zuließ. Aus irgendeinem Grund hatte ich ihn mir viel älter vorgestellt. Aber er war höchstens dreißig, vielleicht noch jünger. Sein hageres, schlecht rasiertes Gesicht wirkte gespannt, als ob er sehr wütend sei.
»Was soll denn das heißen?«, zischte er scharf durch den Türspalt. »Ich verbitte mir solche Störungen mitten in der Nacht! Verschwinden Sie!«
Ich ließ den FBI-Stern sehen. Durch den Türspalt konnte ich wahrnehmen, wie sich Stibblers Augen erschrocken weiteten.
»FBI?«, stieß er überrascht hervor.
»Wie Sie sehen. Ich bin Special Agent Jerry Cotton. Das ist Special Agent Phil Decker.«
Einen Augenblick wartete er. Aber ich sagte weiter nichts.
»Was wollen Sie?«, erkundigte er sich unsicher.
»Mit Ihnen sprechen.«
»Hat das nicht bis zu einer gewöhnlichen Office-Stunde Zeit?«
»Für uns nicht.«
»Um was handelt es sich?«
»Es geht um einen Klienten von Ihnen. Oder um zwei. Vielleicht um noch mehr. Das weiß ich nicht. Jedenfalls ist es wichtig.«
»Was wird meinem Klienten vorgeworfen?«
»Vorsätzlicher Mord.«
»Was?«
Er drückte die Tür ein bisschen näher heran und löste die Sicherheitskette. Dann zog er die Tür auf und ließ uns hinein. Die erste Hürde hatten wir damit genommen. Gewaltsam hätten wir bei ihm nicht eindringen können, denn'wir hatten keinen Durchsuchungsbefehl. In seinem Wohnzimmer sah es nach einer Junggesellenwirtschaft aus, die wochenlang von keinem weiblichen Wesen gesäubert und aufgeräumt worden war. Verschiedene Kleidungsstücke lagen verstreut herum. Die Aschenbecher machten den Eindruck, als hätten sie seit undenkbaren Zeiten immer nur Nachschub aufnehmen müssen, ohne je ausgeleert worden zu sein. Um jeden einzelnen lagen mehr oder minder große Aschenhäufchen. Auf dem Esstisch standen vier benutzte Whiskygläser, und in einem befand sich noch ein Rest von einem hellgoldenen Getränk. Dem Geruch nach musste es Whisky sein, der von geschmolzenen Eiswürfeln verdünnt worden war.
Stibbler ließ sich auf eine Couch fallen, ohne sich um das Hemd zu kümmern, auf das er sich dabei setzte. Phil und ich packten ein paar Dinge aus den Sesseln der Couchgarnitur heraus und setzten uns dann ebenfalls.
»Also«, sagte Stibbler mit seiner unangenehmen, schleimigen Stimme: »Also was wollen Sie nun wirklich?«
Er war Rechtsanwalt. Vielleicht nicht mehr lange, aber im Augenblick war er es noch. Und wenn er sich nicht verdächtig machen wollte, musste er sich so benehmen, wie man es eben von einem Rechtsanwalt erwarten würde.
»Erlauben Sie mir eine Gegenfrage, bevor wir zum Grund unseres Besuchs kommen«, sagte Phil in seiner verbindlichen Art, die er manchmal so unnachahmlich anschlagen kann. »Wenn Sie als Rechtsanwalt der Polizei bei der Aufklärung eines Verbrechens helfen könnten - würden Sie es tun?«
Stibbler breitete die Arme aus und machte ein fast gekränktes Gesicht.
»Aber ich bitte Sie!« Seine schleimige Stimme überschlug sich fast. »So etwas können Sie doch nicht im Ernst fragen! Das versteht sich doch von selbst! Ich möchte sagen, das gehört doch geradezu zu unserem Berufsethos! Wir sind doch nicht da, um Verbrechen zu verschleiern, sondern um der Wahrheit, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen!«
»Schön«, fuhr Phil fort. »Es freut mich, Sir, dass Sie diese Einstellung vertreten. Entschuldigen Sie, dass ich überhaupt gefragt habe. Bei einem Mitglied der New Yorker Anwaltskammer versteht es sich, wie Sie sehr richtig betonten, von selbst. Deshalb haben wir die Hoffnung, dass Sie unsere Bitte nicht als allzu aufdringlich empfinden.«
»Welche Bitte?«
Stibbler konnte das Misstrauen und das schlechte Gewissen nun doch kaum noch verbergen. Phil lächelte ihn an.
»Wir wollten Sie bitten, Sir, mit uns zum Schauhaus zu kommen. Zum Leichenschauhaus. Selbstverständlich werden wir Sie sofort wieder zurückbringen.«
Stibbler runzelte die Stirn.
»Soll ich einen Leichnam identifizieren? Wie kommen Sie darauf, dass ich es könnte? Ist es jemand von meinen Klienten?«
Phil machte eine verbindliche Handbewegung. »Wir möchten nur, dass Sie sich eine Leiche ansehen. Sie wissen ja selbst, Sir, dass man nichts suggestiv betreiben soll. Wir möchten Sie um keinen Preis vorher beeinflussen. Wenn Sie uns helfen können, möchten wir, dass diese Hilfe völlig von Ihnen kommt.«
»Ja, ja, ich verstehe. Sie wollen meine Gedanken nicht in eine bestimmte Richtung lenken. Na, ich denke, dass ich so
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