0405 - Fluchtweg durch die Unterwelt
sie heranzukommen. Im Augenblick fand ich keine Möglichkeit. Sie wurde gerade zum dritten- oder vierten Mal fotografiert. Eine flotte Reporterin nahm sie ganz diskret unter Feuer. Die Handtasche, die sie unter dem Arm trug, hatte als Verschluss ein kristallenes Gefunkel. Es war zugleich die Optik einer ausgezeichneten Kleinkamera.
Ich kannte die Reporterin. Es war Miss Lissy aus unserem Office.
Als ich noch darüber nachdachte, wie ich an Cindy Crown herankommen konnte, hob die Gastgeberin die Hand, und es trat eine allgemeine Stille ein.
»Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich bitte Sie, Ihren ganzen Einfluss dafür aufzubieten, dass mir der Junge unversehrt zurückgegeben wird. Ich bin bereit, den Entführern einen vernünftigen Betrag zu zahlen; ich will garantieren, dass ich keine Polizei über ein eventuelles Abkommen unterrichte. Es liegt mir nichts am Geld, noch weniger an Bestrafung, ich möchte nur möglichst bald den Jungen zurückbekommen. Seine Eltern sind zurzeit in Europa, und ich würde es nicht überleben, ihnen ohne Rex gegenübertreten zu müssen.« Sie bekam etwas blanke Augen, fing sich aber rasch und fuhr fort: »Der einzige Fehler des Jungen ist, dass seine Eltern viel Geld haben. Die Männer, die ihn entführt haben, können nichts damit erreichen, wenn sie… wenn Rex stirbt. Sie sollen mich möglichst bald anrufen. Ich habe keinen Antrag gestellt, mein Telefon zu überwachen. Ich kann die Ungewissheit nicht länger aushalten. Ich möchte gern wieder schlafen können.«
Mrs. Dallinger senkte den Kopf und ging. Es war totenstill, als sie hinter einer großen Tür verschwand.
Cindy Crown, für die ich mich so stark interessierte, war an ihrem Platz stehen geblieben und erwartete den Ansturm der Fragen.
Als Erster meldete sich der Vertreter eines New Yorker Blattes.
»Ist der Junge für irgendetwas besonders anfällig? Braucht er Schonkost oder muss er ein Kräftigungsmittel haben? Bekommt er Medizin? Er sah immer etwas reichlich blass aus, finde ich.«
Miss Crown antwortete mit klarer Stimme.
»Rex ist nicht empfindlich und verträgt alles. Er ist weder verzogen noch verzärtelt.«
Es kamen noch zig Fragen, die Cindy klar beantwortete. Sie war der ungewohnten Aufgabe überraschend gut gewachsen, stellte ich fest.
Miss Crown zog sich in den Hintergrund zurück. Ich leistete ihr Gesellschaft. Es wurde Zeit, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Sie lächelte mir freundlich zu und reichte mir ihre feste Hand.
»Ich weiß, Sie sind Agent Cotton, und ich habe schon einiges von Ihnen gehört. Ich setze so ziemlich unsere ganze Hoffnung auf Sie. Ich bin Cindy Crown.«
Ich nickte und hätte hinzusetzen können, wann sie in Philadelphia geboren war, welches College sie erfolgreich absolviert hatte und so weiter. Nur ihre Prints hatten wir noch nicht.
»Warum setzen Sie auf mich? Mrs. Dallinger setzt auf ihr Geld.«
Sie zog das Naschen kraus und wiegte zweifelnd den Kopf hin und her.
»Ich traue den Gangstern nicht. Wenn die erste Forderung glatt durchgehen sollte, bekommen sie Appetit und fordern mehr. Außerdem scheint mir der Junge eine Gefahr für die Leute zu sein. Er sagt glatt, was er denkt, wenn er an einem etwas auszusetzen hat. Sie werden fürchten, dass er sie eines Tages wiedererkennt. Das habe ich Mrs. Dallinger natürlich nicht gesagt.«
Ihre Gedankert bewegten sich mit meinen eigenen auf der gleichen Ebene. Es war einfach das Ergebnis bitterer Erfahrungen, die man bisher bei den meisten Erpressungen dieser Art gemacht hatte.
Wir stellten fest, dass eben die letzten Reporter das Haus verließen.
»Bei welcher Bank hat Mrs. Dallinger ein Konto?«, fragte ich.
»Bei der Chase National und bei der New York City Bank.«
»Danke, können Sie mich jetzt bei Mrs. Dallinger anmelden?«
»Ja natürlich. Nehmen Sie jetzt bitte in der Bibliothek Platz. Kann ich Ihnen etwas bringen lassen?«
»Sehr nett, Miss Crown, wenn es geht, hätte ich gern einen Kaffee.«
Sie nickte und verschwand.
Fünf Minuten später kam der Butler mit dem Kaffee, und nicht lange danach erschienen Mrs. Dallinger und Miss Crown. Wir setzten uns in eine Ecke an einen runden Mahagonitisch mit einer herrlich gemusterten grünen Malachitplatte.
Mrs. Dallinger stellte sofort eine direkte Frage.
»Billigen Sie mein Vorgehen, Agent Cotton, oder glauben Sie, dass ich mich falsch verhalten habe?«
Ich sah ihr in die Augen und sagte ernst: »Das FBI steht in solchen Fällen
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