0406 - Finale in der Knochengrube
komm.«
Ich setzte mich und aß auch etwas.
Lady Sarah kam zu uns. »Jetzt fühle ich mich besser«, sagte sie und nahm in dem Sessel Platz, der ihr von Suko zurechtgerückt worden war.
Dieser Sessel aus den Fünfzigern gehörte bei uns schon zu den Antiquitäten.
Lady Sarah aß ebenfalls etwas, wenn auch nicht mit großem Appetit.
»Wollt ihr euch noch hinlegen?«, fragte sie und zeigte auf das Doppelbett.
Suko nickte, während ich auf die Uhr sah. »Es sind nur wenige Stunden.«
»Trotzdem, John. Wer weiß, wann wir wieder eine Mütze voll Schlaf nehmen können.«
Wir blieben noch eine Viertelstunde beisammen, bevor sich Sarah Goldwyn gähnend verabschiedete. »Bis später dann, Freunde. Und träumt nur nicht von glühenden Dolchen.«
»Das bestimmt nicht!«, versprach ich.
Wir zogen die Schuhe aus. Die Vorhänge der beiden schmalen Fenster ließen wir offen. Suko hatte die besseren Nerven. Er war schneller eingeschlafen als ich. Schon bald hörte ich ihn leise schnarchen.
Ich starrte zur Decke, die als graue Fläche über mir stand. Meine Gedanken kreisten um die vergangenen Abenteuer, die eigentlich mit Acron und Akim Samaran begonnen hatten. Vor vier Wochen hätte ich bestimmt nicht damit gerechnet, an diesem Abend in einem Hotelzimmer der russischen Stadt Leningrad zu liegen.
Irgendwann verlangte mein Körper sein Recht. Ich schlief ein, sackte förmlich weg und blieb zum Glück von irgendwelchen Träumen verschont, sodass ich mich in Morpheus' Armen mehr als wohl fühlte. So wohl, dass ich sogar das Läuten des Telefons überhörte und erst wach wurde, als Suko mit dem Anrufer sprach.
Ich drehte mich verschlafen zur Seite und hörte, wie mein Partner sagte:
»Ja, das ist gut, wirklich. Sollen wir sofort kommen, oder hat es Zeit bis später?«
»Hat Zeit. Ich komme vorbei.« Wladimir sprach so laut, dass ich seine Antwort verstehen konnte.
Ich sah auf die Uhr. Fünf Uhr morgens. Da konnte ich mich noch zweimal umdrehen, bevor unser russischer Freund bei uns war.
»Na?«, fragte ich Suko.
Er setzte sich auf. Das Licht der kleinen Nachttischleuchte streifte sein Gesicht von der anderen Seite her, sodass die mir zugewandte im Dunkeln lag.
»Wladimir hat eine Spur gefunden.«
»Wieso?«
»Er hat sich mit seiner Dienststelle in Verbindung gesetzt, und dort setzt man ebenfalls auf Computer. Wir müssen uns aber noch eine Weile gedulden.«
Suko und ich wollten die Wartezeit schlafend überbrücken. Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Diese Knochengruft schien eine erste echte Spur zu Baal und vielleicht auch zu meinem Dolch zu sein.
Himmel, wenn ich ihn zurückbekommen könnte, wäre vieles gewonnen.
Aber ich musste davon ausgehen, dass er nicht mehr so war wie früher, denn er hatte sich vor meinen Augen verfärbt, als Baal ihn mir abnahm.
Wir würden sehen…
***
Die Müdigkeit übermannte mich, und als ich zum zweiten Mal wach wurde, war Suko schon angezogen. Draußen begann die Dämmerung.
Graues Licht lag über der Stadt und sickerte durch die beiden Fenster in unser Zimmer. Suko hatte eines davon geöffnet. Mit dem Licht kam der Lärm. Am Hafen hatte bereits die Frühschicht begonnen, und da ging es rund. Das Quietschen der Verladekräne drang ebenso an unsere Ohren wie das dumpfe Dröhnen der Schiffssirenen oder die lautsprecherverstärkten Stimmen irgendwelcher Chefs und Antreiber.
»Kannst du das Fenster nicht schließen?«, beschwerte ich mich.
»Weshalb?«
»Wegen des Lärms.«
»Aber dann muss ich in deinem Mief liegen.«
»Erstunken ist noch keiner, Gevatter, aber erfroren«, gab ich zu bedenken, jumpte aus dem Bett und ging ins winzige Bad, wo ich neben der Sitzwanne eine Dusche vorfand.
Ich konnte fast zwischen den Strahlen hin- und hertanzen. Seife war auch nicht die beste, aber ich will mich nicht immer nur beschweren, wir hätten es wesentlich schlimmer antreffen können.
Nach der Morgentoilette fand ich Lady Sarah. »Wurde auch Zeit«, sagte sie, »dass du endlich fertig bist. Mir hängt der Magen schon auf der Erde. Wann dampfen wir ab?«
Als sie meinen erstaunten Blick bemerkte, griff Suko ein. »Ich habe ihr von Wladimirs Anruf berichtet.«
»Das ist etwas anderes.« Ich schlüpfte in meine Jacke. »Natürlich müssen wir warten, bis sich unser Freund wieder gemeldet hat. Erst dann können wir weitersehen.«
»Okay, dann lass uns was essen.« Sarah klopfte mit ihrem Stock auffordernd auf den Fußboden.
Das Hotel war nicht sehr groß. Es hatte fünf
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